30.09.2007

Die Ausbildung eines Papageis

So, wie ihr unschwer bemerkt habt, hat der Unterricht angefangen und der einzige freie Tag ist jetzt Sonntag. Klingt hart, ist aber so. Entschuldigung auch an alle, die sich gemeldet haben und keine Antwort erhalten haben. Innerhalb der Woche besteht mein Alltag ausschließlich aus Lernen, Schlafen und Essen (meistens Brot und Curryreis). Das wird sich leider auch vorerst nicht mehr ändern.


Keiô Daigaku. 25-29.9.07

Der Unterricht, ich fang mal damit an. Das Lehrbuch ist nicht großartig anders als in Deutschland, es gibt einen Lektionstext, Beispielsätze zur Grammatik und japanische Erklärungen zu den neuen Wörtern. Man muss pro Woche 1 Aufsatz, 1-2 Kanji-Blätter, 1-2 Fragen-zum-Text-Blätter, 1-2 Beispielsatz-Blätter und 2-4 Grammatikübungsblätter abgeben, weitergehend einen Dialog einüben. Kanji pro Woche etwa 15, Vokabeln 30-40. Hört sich noch nicht so schlimm an, oder? Bei Fujita-sensei war das Arbeitspensum nur minimal geringer. Aber gibt noch ein paar interessante Details. Die Hausaufgaben müssen auf Keiô-eigenen Papier abgegeben werden, das man in der Uni kaufen muss (100 Blatt etwa 1 €). Wenn man Sachen bei den Hausaufgaben falsch gemacht hat, muss man diese noch mal auf einem Sonderblatt abgeben. Alle Hausaufgaben werden benotet; die Noten sind A, B, C, D – gut, mittel, schlecht, durchgefallen. Alle 3-4 Tage ein Test.

So, und jetzt kommt der eigentliche Witz bei der Sache: wir müssen die Lektionstexte auswendig lernen! Wörtlich! Etwas in eigenen Worten wiederzugeben ist unschön, oft auch falsch für die Lehrer. Das erinnert ein bisschen an die Zeit vor 1945, nicht wahr? Deshalb tue ich mich auch leider noch sehr schwer mit dem Ganzen. Ich muss mir die Texte mehr als 20mal anhören, um sie halbwegs auswendig zu können. Immer wieder aufschreiben nach dem Hören. Bei den Tests muss man theoretisch auch nur den Lektionstext ausm Gedächtnis hinschreiben.

Im Unterricht hört man sich den Text an, danach muss man ihn auswendig nachplappern. Papagei-Timo kann schon einen extrem spannenden Text über den Apfel-Anbau in Japan auswendig, der Text über japanische Supermärkte braucht noch ein bisschen.

Ach ja, neben dem Sprachkurs gibt noch Zusatzkurse zu Kanji, Hörverstehen, Textlektüre usw. Davon muss ich auch noch 5 belegen, die beginnen aber erst nächste Woche und haben zusätzliche Hausaufgaben, Test etc.

Ums kurz zu machen: Alle, die früher einmal himmelhochjauchend zur Keiô wollten, bitte ich dies noch einmal zu überdenken. Es gibt zahlreiche harmlosere und humanere Wege nach Japan zu kommen. Ich kriege stetig mehr Falten und graue Haare, mein Hirn wird auch langsam matschig vom ständigen Nachplappern. Und mir spriesen bunte Federn. Na ja, Weihnachten sind ja wieder Ferien, ist ja schon ganz bald …


Shibuya. 26.9.07

Na gut, noch ein paar andere Kleinigkeiten sind auch passiert.

Ich war mit Simon, Jan, Sven, Haruka und Makino in einem japanischen Sexshop. Kai wollte lieber draußen warten. Ich eigentlich anfangs auch, aber die Neugierde hat gesiegt. Ich war allerdings nur im Eingangsbereich und habe mir die Kostüme angesehen. Schulmädchen, denkt ihr? Ja, das auch, aber ebenso Krankenschwester, Bierverkäuferin, Zigarettenverkäuferin, Kaffeeverkäuferin, Power Rangerin … mehr konnte ich mir leider nicht merken, ich mache irgendwann mal Fotos.


Kawasaki. 28.9.07

Eine kurze Geschichte aus der Rubrik interkultureller Missverständnisse. Hae In hat mich auf dem Telefon angerufen, um mir ihre Handy-E-Mail-Adresse zu sagen. Ich erkläre das kurz: hier haben die Handys neben SMS auch E-Mail, was wesentlich billiger ist und viel häufiger benutzt wird. Das Handy hat eine eigene E-Mail-Adresse, zu der man von überall E-Mails senden kann. Soll heißen, wenn ihr eine E-Mail an Korallenschlange@ezweb.ne.jp schicken würdet, würde die auf meinem Handy ankommen (natürlich müsstet ihr dafür nichts zahlen).

Okay, zurück zu Hae In. Sie sagte mir am Telefon ihre E-Mail-Adresse und ich schrieb sie auf. Sie wiederholte sie 3mal. Ich legte auf und versuchte ihr zu schreiben. Nichts. Ich rief sie an und fragte noch mal nach, alles war seltsamerweise richtig gewesen. Ich sagte ihr nun meine, vielleicht würde es ja so klappen. (Gleich kommt die Pointe, noch ein bisschen Geduld!) Es funktionierte wieder nicht. Wir telefonierten noch mal, und als sie meine E-Mail-Adresse noch mal vorlas, ging mir ein Lämpchen auf. Die Gute ist ja bekanntlich Ostasiatin und kann deshalb kein „r“ und „l“ unterscheiden. Weder wenn sie es ausspricht, noch wenn sie es hört. Selbst wenn ich – obwohl ich es richtig ausspreche – „r“ oder „l“ sage, hört sie wirklich keinen Unterschied. Kuriose Sache, nicht?

Da Hae In nach Ronja die meisten Kontroversen hervorgerufen hat, noch ein paar Worte zu ihr. Wir wollen in den nächsten Wochen mal einen Trinken gehen. Allerdings zeigt sich dabei doch sehr stark der nicht geringe Alterunterschied. Ich schlug Shibuya oder Shinjuku vor. Da ihr diese Gegenden aber bei Nacht zu hektisch, laut und gefährlich sind, sie des Weiteren von Alkohol immer sehr müde wird, wollen wir nun in unserem Wohnheimzinmer miteinander trinken. Langweilig, nicht?


Keiô Daigaku. 27.9.07

Irgendwann hatte ich auch mal Haruka in der Uni getroffen und länger mit ihr geredet. Sie behauptet, damals jedes Wochenende im Stone oder Schaukelstühlchen gewesen zu sein, auch Minipizza oder Holländische Pommes des Öfteren gegessen zu haben, obwohl ich sie niemals irgendwo gesehen habe. Düsseldorf ist ja nicht so riesig. Na ja, ich bin Haruka aber auch zu sehr großem Dank verpflichtet, weil sie meine Handyrechnung bezahlt hat. Also nicht mit ihrem eigenen Geld, aber sie hat mir das Formular ausgefüllt.


Kawasaki. 30.9.07

Gestern habe ich mir gutes europäisches Essen gekauft. Oliven und Käsebrötchen, waren viel zu teuer, aber sehr deliziös. Ich hab auch mal in der Mensa Tofu gegessen, aber lasst besser die Finger davon, das ist nur zu alte Milch. Ich habe auch deutsche Lederschuhpflegelotion gefunden, mit deutscher Packungsbeilage. Als ich letztes Mal Wäsche gewachsen habe, hatte ich leider nur Weichspüler benutzt, wie ich heute weiß. Die Kleidung wirkte sauber, die Flecken waren noch da, Stichwort Misosuppe. Jetzt habe ich mir Ariel gekauft, das teuerste Waschmittel, das ich finden konnte.

Ja, das war es soweit, ich muss mal weiter lernen, bin ja nicht (mehr) nur zum Spaß hier. Bis nächsten Sonntag, liebe Kinder!

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hi Timo,
du Armer. Hast so viel zu tun. Naja, ich werde dein Blog jetzt schön mitverfolgen. Ist sehr unterhaltsam. Naja, bis dann.
Natty

Anonym hat gesagt…

Timo-san!

auch wenn du viel zu tun hast... bitte besorg dir endlich irgendeine kamera und stell ein paar fotos online!!

jan hat gesagt…

Salut, der Herr!
ich hab mal versucht dir eine EMail an diese merkwürdige Adresse zu schicken. Gib doch mal Laut, wenn sie angekommen ist.

Viele Grüße!