23.09.2007

Nomihôdai und Ageha

Shinjuku. 21.09.07

Es begann als Herrenrunde: Simon, Jan, Sven und der Elitestudent von Keiô. Bevor es ans Eingemachte ging, wollten Simon und ich noch kurz Grundlagen schaffen. Curry-Reis mit Misosuppe. Curry-Reis ist eben Reis mit einem Curry-Eintopf aus Rindfleisch und Gemüse. Misosuppe ist Suppe aus Sojabohnen, in der Algenblätter und Tofustücke schwimmen.

Ich denke, die meisten wissen, dass ich mich den japanischen Essen nicht so gut stehe. Dass dieses Verhältnis aber auch Gegenseitigkeit beruht, und das japanische Essen mich ebenso wenig abkam, zeigte sich an diesem Abend.

Ich aß nichtsahnend mein Misosüppchen und erzählte dabei Simon gerade von den entlaufenden Algen des Onigiris (vorheriger Post), als es passierte. Ich hätte damit rechnen sollen, die Algen waren nur ein Vorgeschmack (im wahrsten Sinne des Wortes) auf das, was die Misosuppe mit mir vorhatte. In einem Moment meiner Unachtsamkeit nutzte sie ihre Chance und griff an ... Frontalangriff auf T-Shirt, Hose und Rucksack …

Ich hasse es, dem Klischee des dummen Ausländers in Japan gerecht zu werden.

Ich versuchte die Nerven zu bewahren und krallte mir einen Haufen Servietten. Freundlicherweise war Simon so mit dem Essen beschäftigt, dass er keine dummen Sprüche ablassen konnte. Bis auf die wahre Bemerkung, dass Misosuppe, da sie gelblich ist und kleine Stückchen Bohnen enthält, haargenau wie Kotze – Pardon! – Erbrochenes aussieht.

Nachdem ich seelenruhig meinen Curry-Reis aufgegessen habe, gingen wir zum Bonquichote um die Ecke. Das ist ein Billigladen für alles Mögliche. Ich trug meinen Rucksack vor mir sehr, damit man nicht meine durchnässte Hose sehen konnte. Im Bonquichote kaufte ich mir das nächstbeste T-Shirt für etwa 12 €. Mein oliv-beiges Totenkopfshirt. Leider konnte ich es nicht vor dem Kaufen anprobieren, es war nämlich ein bisschen klein. (Zitat von Sven: „Schwuler als Jans pinkes Poloshirt“) Als Highlight hatte das Ding ein Pseudo-Piercing an der Brust, das ich leider erst beim Anziehen gesehen habe. Simon meinte, Japanerinnen würden den Geruch von Misosuppe anziehend finden. Ich persönlich habe mittlerweile Alpträumen von diesem Zeug, nach dem ich die ganze Nacht lang gerochen haben muss (trotz Deo ohne Ende).

Wir gingen schließlich zum eigentlichen ersten Ziel unser Nachttour: einer Kneipe im kitschigen Seefahrerstil. Da gab es nomihôdai, zu Deutsch: man bezahle etwa 15 € und kann zwei Stunden lang alles trinken, was man will, solange man nur ein Glas hat. Klingt gut, ist auch so! Meine persönliche Bilanz:

Kalua-Milch

Wisky on the rocks („Wisky auf Steinen“, wie Sven es nannte)

Erdbeer-Milch

Bananen-Milch

Melonen-Milch

Erdbeer-Milch

Wisky

Danach habe ich mich dann ganz leicht angetrunken gefühlt.

Haruka kam dazu und wir fuhren nach Shibuya, um den Shuttlebus zum Ageha zu suchen.


Ageha. 21.09.07

Ich, der große Entdeckungs- und Forschungsreisende des Fernen Osten, kann nun stolz behaupten, in der größten Diskothek Japans gewesen zu sein: dem Ageha, zu Deutsch „Schmetterling“. Das Ageha liegt am Arsch von Tôkyô, der kostenlose Shuttelbus brauchte eine halbe Stunde. Der Eintritt betrug 3500 Yen (etwa 22 Euro), nada inklusive.

Leider läuft freitags (die anderen wollten alle unbedingt Freitag gehen) nur Hiphop. Da ich ja voll-Gangsta-fett-krass aussah mit meinem hautengen Totenkopfshirt, meiner nach Misosuppe stinken Jeans, meinen Doc Martens und meinen Seitenscheitel, rauchte ich zur Beruhigung Mentholzigaretten.

Eigentlich sahen die Leute da genauso wie in einem deutschen Hiphopschuppen, nur eben ein bis zwei Köpfe kleiner und mit kleineren Augen. Aber sonst, alles genau wie in den deutschen Ghettos. Besonders gerne mag ich diese Asitoaster-Japanerinnen mit peroxydblonden Haaren, irgendwann muss ich mal welche von denen fotografieren.

In Ageha sollen 3000 Menschen passen. Es gibt einen Mainfloor, eine sehr große Chillout-Area und einen Openair-Bereich im Hawaii-Stil mit Pool, von wo aus man die nächtliche Skyline des Molochs Tôkyô bestaunen kann.

Zurück zu den interessanten Dingen: die Tanzstile meiner Mitstreiter. Sven beherrscht einen Achtziger-Jahre-Disco-Tanzstil, der bei Achtziger-Jahre-Liedern gut aussieht. Jan dreht gerne Pirouetten mit einem Hauch von Robo-Dance. Simon ist eher ein Grobmotoriker. Haruka schwingt von rechts nach links und wieder zurück, so wie viele deutsche Frauen. Ich habe versucht, aus dem EBM-Techhouse-Tanzstil rauszukommen oder ihn auf den lahmen Hiphop-Beat zu drosseln, ich denke mit mittelmäßigem Erfolg.

Okay, das wahre Highlight: mich hat, ohne dass ich danach gefragt habe, auf einmal eine Japanerin vulgär angetanzt. Das besagte Subjekt sah ein bisschen nach Schulmädchen ohne Uniform aus, also nicht zu alt, minimal pummelig für japanische Verhältnisse (normal für deutsche). Ich musste irgendwie sofort an die Geschichte mit Ronja denken. Kennt ihr die Geschichte mit Ronja. Also, ich war vor etwa anderthalb Jahren in Düren nächtlich unterwegs, als mich ein Mädchen angesprochen hat. Ronja war 14(!) Jahre alt und heulte rum, sie würde so gerne endlich ihr Erstes Mal erleben. Ich half ihr dabei aber nicht.

Jedenfalls bin ich seit dieser Geschichte gegenüber Frauen, die sich von selbst an mich ranmachen, sehr kritisch. Ich glaube, ich bin eher froh als traurig darüber, dass das seltsame Wesen nach gut einer Minute genauso schnell wieder verschwunden war, wie es gekommen war. Später sah ich es noch mal angefuckt in der Ecke sitzen und mit einem echten Gangster flirten. Das Beste an der Geschichte waren aber eigentlich die extremst erstaunten Blicke von Simon und Haruka.

Sonst passierte nichts wirklich Wichtiges mehr, nur dass wir nicht wussten, dass man für die Rückfahrt mit dem Shuttlebus Reservierungskarten brauchte. So mussten wir mit der Bahn fahren, das war zwar nicht wesentlich zeitaufwändiger, aber teurer.


Kawasaki. 22.09.07

Am folgenden Tag habe ich geschlafen, meinen Stundenplan erstellt, Miso-Kleidung gewaschen und war Einkaufen, hab ich mich auch ein bisschen verlaufen und mal andere Stadtbezirke von Kawasaki gesehen. Nichts Tolles passiert.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hey Timo!

wann besuchst du endlich mal die Kawasakiwerke? (da musst du für mich rausfinden was eine Ninja ZX-10R in Japan kostet ;)

Und schön fleißig weiter am blog schreiben, ich schau jeden tag vorbei.
hauste rein!