30.09.2007

Die Ausbildung eines Papageis

So, wie ihr unschwer bemerkt habt, hat der Unterricht angefangen und der einzige freie Tag ist jetzt Sonntag. Klingt hart, ist aber so. Entschuldigung auch an alle, die sich gemeldet haben und keine Antwort erhalten haben. Innerhalb der Woche besteht mein Alltag ausschließlich aus Lernen, Schlafen und Essen (meistens Brot und Curryreis). Das wird sich leider auch vorerst nicht mehr ändern.


Keiô Daigaku. 25-29.9.07

Der Unterricht, ich fang mal damit an. Das Lehrbuch ist nicht großartig anders als in Deutschland, es gibt einen Lektionstext, Beispielsätze zur Grammatik und japanische Erklärungen zu den neuen Wörtern. Man muss pro Woche 1 Aufsatz, 1-2 Kanji-Blätter, 1-2 Fragen-zum-Text-Blätter, 1-2 Beispielsatz-Blätter und 2-4 Grammatikübungsblätter abgeben, weitergehend einen Dialog einüben. Kanji pro Woche etwa 15, Vokabeln 30-40. Hört sich noch nicht so schlimm an, oder? Bei Fujita-sensei war das Arbeitspensum nur minimal geringer. Aber gibt noch ein paar interessante Details. Die Hausaufgaben müssen auf Keiô-eigenen Papier abgegeben werden, das man in der Uni kaufen muss (100 Blatt etwa 1 €). Wenn man Sachen bei den Hausaufgaben falsch gemacht hat, muss man diese noch mal auf einem Sonderblatt abgeben. Alle Hausaufgaben werden benotet; die Noten sind A, B, C, D – gut, mittel, schlecht, durchgefallen. Alle 3-4 Tage ein Test.

So, und jetzt kommt der eigentliche Witz bei der Sache: wir müssen die Lektionstexte auswendig lernen! Wörtlich! Etwas in eigenen Worten wiederzugeben ist unschön, oft auch falsch für die Lehrer. Das erinnert ein bisschen an die Zeit vor 1945, nicht wahr? Deshalb tue ich mich auch leider noch sehr schwer mit dem Ganzen. Ich muss mir die Texte mehr als 20mal anhören, um sie halbwegs auswendig zu können. Immer wieder aufschreiben nach dem Hören. Bei den Tests muss man theoretisch auch nur den Lektionstext ausm Gedächtnis hinschreiben.

Im Unterricht hört man sich den Text an, danach muss man ihn auswendig nachplappern. Papagei-Timo kann schon einen extrem spannenden Text über den Apfel-Anbau in Japan auswendig, der Text über japanische Supermärkte braucht noch ein bisschen.

Ach ja, neben dem Sprachkurs gibt noch Zusatzkurse zu Kanji, Hörverstehen, Textlektüre usw. Davon muss ich auch noch 5 belegen, die beginnen aber erst nächste Woche und haben zusätzliche Hausaufgaben, Test etc.

Ums kurz zu machen: Alle, die früher einmal himmelhochjauchend zur Keiô wollten, bitte ich dies noch einmal zu überdenken. Es gibt zahlreiche harmlosere und humanere Wege nach Japan zu kommen. Ich kriege stetig mehr Falten und graue Haare, mein Hirn wird auch langsam matschig vom ständigen Nachplappern. Und mir spriesen bunte Federn. Na ja, Weihnachten sind ja wieder Ferien, ist ja schon ganz bald …


Shibuya. 26.9.07

Na gut, noch ein paar andere Kleinigkeiten sind auch passiert.

Ich war mit Simon, Jan, Sven, Haruka und Makino in einem japanischen Sexshop. Kai wollte lieber draußen warten. Ich eigentlich anfangs auch, aber die Neugierde hat gesiegt. Ich war allerdings nur im Eingangsbereich und habe mir die Kostüme angesehen. Schulmädchen, denkt ihr? Ja, das auch, aber ebenso Krankenschwester, Bierverkäuferin, Zigarettenverkäuferin, Kaffeeverkäuferin, Power Rangerin … mehr konnte ich mir leider nicht merken, ich mache irgendwann mal Fotos.


Kawasaki. 28.9.07

Eine kurze Geschichte aus der Rubrik interkultureller Missverständnisse. Hae In hat mich auf dem Telefon angerufen, um mir ihre Handy-E-Mail-Adresse zu sagen. Ich erkläre das kurz: hier haben die Handys neben SMS auch E-Mail, was wesentlich billiger ist und viel häufiger benutzt wird. Das Handy hat eine eigene E-Mail-Adresse, zu der man von überall E-Mails senden kann. Soll heißen, wenn ihr eine E-Mail an Korallenschlange@ezweb.ne.jp schicken würdet, würde die auf meinem Handy ankommen (natürlich müsstet ihr dafür nichts zahlen).

Okay, zurück zu Hae In. Sie sagte mir am Telefon ihre E-Mail-Adresse und ich schrieb sie auf. Sie wiederholte sie 3mal. Ich legte auf und versuchte ihr zu schreiben. Nichts. Ich rief sie an und fragte noch mal nach, alles war seltsamerweise richtig gewesen. Ich sagte ihr nun meine, vielleicht würde es ja so klappen. (Gleich kommt die Pointe, noch ein bisschen Geduld!) Es funktionierte wieder nicht. Wir telefonierten noch mal, und als sie meine E-Mail-Adresse noch mal vorlas, ging mir ein Lämpchen auf. Die Gute ist ja bekanntlich Ostasiatin und kann deshalb kein „r“ und „l“ unterscheiden. Weder wenn sie es ausspricht, noch wenn sie es hört. Selbst wenn ich – obwohl ich es richtig ausspreche – „r“ oder „l“ sage, hört sie wirklich keinen Unterschied. Kuriose Sache, nicht?

Da Hae In nach Ronja die meisten Kontroversen hervorgerufen hat, noch ein paar Worte zu ihr. Wir wollen in den nächsten Wochen mal einen Trinken gehen. Allerdings zeigt sich dabei doch sehr stark der nicht geringe Alterunterschied. Ich schlug Shibuya oder Shinjuku vor. Da ihr diese Gegenden aber bei Nacht zu hektisch, laut und gefährlich sind, sie des Weiteren von Alkohol immer sehr müde wird, wollen wir nun in unserem Wohnheimzinmer miteinander trinken. Langweilig, nicht?


Keiô Daigaku. 27.9.07

Irgendwann hatte ich auch mal Haruka in der Uni getroffen und länger mit ihr geredet. Sie behauptet, damals jedes Wochenende im Stone oder Schaukelstühlchen gewesen zu sein, auch Minipizza oder Holländische Pommes des Öfteren gegessen zu haben, obwohl ich sie niemals irgendwo gesehen habe. Düsseldorf ist ja nicht so riesig. Na ja, ich bin Haruka aber auch zu sehr großem Dank verpflichtet, weil sie meine Handyrechnung bezahlt hat. Also nicht mit ihrem eigenen Geld, aber sie hat mir das Formular ausgefüllt.


Kawasaki. 30.9.07

Gestern habe ich mir gutes europäisches Essen gekauft. Oliven und Käsebrötchen, waren viel zu teuer, aber sehr deliziös. Ich hab auch mal in der Mensa Tofu gegessen, aber lasst besser die Finger davon, das ist nur zu alte Milch. Ich habe auch deutsche Lederschuhpflegelotion gefunden, mit deutscher Packungsbeilage. Als ich letztes Mal Wäsche gewachsen habe, hatte ich leider nur Weichspüler benutzt, wie ich heute weiß. Die Kleidung wirkte sauber, die Flecken waren noch da, Stichwort Misosuppe. Jetzt habe ich mir Ariel gekauft, das teuerste Waschmittel, das ich finden konnte.

Ja, das war es soweit, ich muss mal weiter lernen, bin ja nicht (mehr) nur zum Spaß hier. Bis nächsten Sonntag, liebe Kinder!

23.09.2007

Nomihôdai und Ageha

Shinjuku. 21.09.07

Es begann als Herrenrunde: Simon, Jan, Sven und der Elitestudent von Keiô. Bevor es ans Eingemachte ging, wollten Simon und ich noch kurz Grundlagen schaffen. Curry-Reis mit Misosuppe. Curry-Reis ist eben Reis mit einem Curry-Eintopf aus Rindfleisch und Gemüse. Misosuppe ist Suppe aus Sojabohnen, in der Algenblätter und Tofustücke schwimmen.

Ich denke, die meisten wissen, dass ich mich den japanischen Essen nicht so gut stehe. Dass dieses Verhältnis aber auch Gegenseitigkeit beruht, und das japanische Essen mich ebenso wenig abkam, zeigte sich an diesem Abend.

Ich aß nichtsahnend mein Misosüppchen und erzählte dabei Simon gerade von den entlaufenden Algen des Onigiris (vorheriger Post), als es passierte. Ich hätte damit rechnen sollen, die Algen waren nur ein Vorgeschmack (im wahrsten Sinne des Wortes) auf das, was die Misosuppe mit mir vorhatte. In einem Moment meiner Unachtsamkeit nutzte sie ihre Chance und griff an ... Frontalangriff auf T-Shirt, Hose und Rucksack …

Ich hasse es, dem Klischee des dummen Ausländers in Japan gerecht zu werden.

Ich versuchte die Nerven zu bewahren und krallte mir einen Haufen Servietten. Freundlicherweise war Simon so mit dem Essen beschäftigt, dass er keine dummen Sprüche ablassen konnte. Bis auf die wahre Bemerkung, dass Misosuppe, da sie gelblich ist und kleine Stückchen Bohnen enthält, haargenau wie Kotze – Pardon! – Erbrochenes aussieht.

Nachdem ich seelenruhig meinen Curry-Reis aufgegessen habe, gingen wir zum Bonquichote um die Ecke. Das ist ein Billigladen für alles Mögliche. Ich trug meinen Rucksack vor mir sehr, damit man nicht meine durchnässte Hose sehen konnte. Im Bonquichote kaufte ich mir das nächstbeste T-Shirt für etwa 12 €. Mein oliv-beiges Totenkopfshirt. Leider konnte ich es nicht vor dem Kaufen anprobieren, es war nämlich ein bisschen klein. (Zitat von Sven: „Schwuler als Jans pinkes Poloshirt“) Als Highlight hatte das Ding ein Pseudo-Piercing an der Brust, das ich leider erst beim Anziehen gesehen habe. Simon meinte, Japanerinnen würden den Geruch von Misosuppe anziehend finden. Ich persönlich habe mittlerweile Alpträumen von diesem Zeug, nach dem ich die ganze Nacht lang gerochen haben muss (trotz Deo ohne Ende).

Wir gingen schließlich zum eigentlichen ersten Ziel unser Nachttour: einer Kneipe im kitschigen Seefahrerstil. Da gab es nomihôdai, zu Deutsch: man bezahle etwa 15 € und kann zwei Stunden lang alles trinken, was man will, solange man nur ein Glas hat. Klingt gut, ist auch so! Meine persönliche Bilanz:

Kalua-Milch

Wisky on the rocks („Wisky auf Steinen“, wie Sven es nannte)

Erdbeer-Milch

Bananen-Milch

Melonen-Milch

Erdbeer-Milch

Wisky

Danach habe ich mich dann ganz leicht angetrunken gefühlt.

Haruka kam dazu und wir fuhren nach Shibuya, um den Shuttlebus zum Ageha zu suchen.


Ageha. 21.09.07

Ich, der große Entdeckungs- und Forschungsreisende des Fernen Osten, kann nun stolz behaupten, in der größten Diskothek Japans gewesen zu sein: dem Ageha, zu Deutsch „Schmetterling“. Das Ageha liegt am Arsch von Tôkyô, der kostenlose Shuttelbus brauchte eine halbe Stunde. Der Eintritt betrug 3500 Yen (etwa 22 Euro), nada inklusive.

Leider läuft freitags (die anderen wollten alle unbedingt Freitag gehen) nur Hiphop. Da ich ja voll-Gangsta-fett-krass aussah mit meinem hautengen Totenkopfshirt, meiner nach Misosuppe stinken Jeans, meinen Doc Martens und meinen Seitenscheitel, rauchte ich zur Beruhigung Mentholzigaretten.

Eigentlich sahen die Leute da genauso wie in einem deutschen Hiphopschuppen, nur eben ein bis zwei Köpfe kleiner und mit kleineren Augen. Aber sonst, alles genau wie in den deutschen Ghettos. Besonders gerne mag ich diese Asitoaster-Japanerinnen mit peroxydblonden Haaren, irgendwann muss ich mal welche von denen fotografieren.

In Ageha sollen 3000 Menschen passen. Es gibt einen Mainfloor, eine sehr große Chillout-Area und einen Openair-Bereich im Hawaii-Stil mit Pool, von wo aus man die nächtliche Skyline des Molochs Tôkyô bestaunen kann.

Zurück zu den interessanten Dingen: die Tanzstile meiner Mitstreiter. Sven beherrscht einen Achtziger-Jahre-Disco-Tanzstil, der bei Achtziger-Jahre-Liedern gut aussieht. Jan dreht gerne Pirouetten mit einem Hauch von Robo-Dance. Simon ist eher ein Grobmotoriker. Haruka schwingt von rechts nach links und wieder zurück, so wie viele deutsche Frauen. Ich habe versucht, aus dem EBM-Techhouse-Tanzstil rauszukommen oder ihn auf den lahmen Hiphop-Beat zu drosseln, ich denke mit mittelmäßigem Erfolg.

Okay, das wahre Highlight: mich hat, ohne dass ich danach gefragt habe, auf einmal eine Japanerin vulgär angetanzt. Das besagte Subjekt sah ein bisschen nach Schulmädchen ohne Uniform aus, also nicht zu alt, minimal pummelig für japanische Verhältnisse (normal für deutsche). Ich musste irgendwie sofort an die Geschichte mit Ronja denken. Kennt ihr die Geschichte mit Ronja. Also, ich war vor etwa anderthalb Jahren in Düren nächtlich unterwegs, als mich ein Mädchen angesprochen hat. Ronja war 14(!) Jahre alt und heulte rum, sie würde so gerne endlich ihr Erstes Mal erleben. Ich half ihr dabei aber nicht.

Jedenfalls bin ich seit dieser Geschichte gegenüber Frauen, die sich von selbst an mich ranmachen, sehr kritisch. Ich glaube, ich bin eher froh als traurig darüber, dass das seltsame Wesen nach gut einer Minute genauso schnell wieder verschwunden war, wie es gekommen war. Später sah ich es noch mal angefuckt in der Ecke sitzen und mit einem echten Gangster flirten. Das Beste an der Geschichte waren aber eigentlich die extremst erstaunten Blicke von Simon und Haruka.

Sonst passierte nichts wirklich Wichtiges mehr, nur dass wir nicht wussten, dass man für die Rückfahrt mit dem Shuttlebus Reservierungskarten brauchte. So mussten wir mit der Bahn fahren, das war zwar nicht wesentlich zeitaufwändiger, aber teurer.


Kawasaki. 22.09.07

Am folgenden Tag habe ich geschlafen, meinen Stundenplan erstellt, Miso-Kleidung gewaschen und war Einkaufen, hab ich mich auch ein bisschen verlaufen und mal andere Stadtbezirke von Kawasaki gesehen. Nichts Tolles passiert.

21.09.2007

Party, Party, Waschmaschine

Shibuya. 20.9.07

Ich habe tatsächlich mein neues Handy einigermaßen verstanden und es geschafft, Sven anzurufen. Sven hat mir dann die Nummer von Simon gegeben, und so war der Abend gerettet.

Jan, Kai, Matthias (Hickstein), Simon, Makino, Azusa und Sayaka (frühere Austauschstudentinnen), Haruka (Steves Ex) und meine Wenigkeit haben sich in Shibuya getroffen und die stylisten Locations ausgecheckt.

Angefangen hat es in einem Restaurant japanischer Art. Das soll heißen, es sah von Innen wie altes traditionelles Haus aus, allerdings gab es eine elektronische Bestellkarte. Man konnte sogar bei den Gerichten die Größe manuell verändern, z.B. die Anzahl der Pommes. Wir teilten uns schließlich Krabbenbrot (das wirklich nach Krabben geschmeckt hat), Reis mit seltsamen Gewürzen, koreanische Pizza (mit Fisch gefüllter Pfannekuchen), Salat, Zuckererbsen, Pommes, Pizza mit Kartoffelsalat als Belag … Es hat alles sehr gut geschmeckt. Am Ende wurde alles geteilt und jeder kam auf etwa 3000 Yen (19 Euro).

Die zwei großen Bierkruge haben mir nicht gut gekommen, aber wie wenig Japanerinnen vertragen ist echt erschreckend. Die können sehr lustig lallen.

Danach ging ich, im benebelten Zustand, Geld abheben von der Citibank. Da ich aus unerklärlichen Gründen immer noch kein Citibankkonto habe und mein Volksbankkonto bedienen musste, bin ich sehr froh nicht zu wissen, wie hoch die Gebühr gewesen ist.

Matthias führte uns dann in einen, ich will sagen, Gothic-ähnlichen Schuppen. Überall große Gargoyle-Statuen, Kirchenfensterbilder, Kerzen, rote Vorhänge, dagegen ist das Pulp sehr bescheiden. Allerdings lief dort seltsam heitere Musik. Da trank ich einen Gaba-Juice (Gaba = Guava). Leider war dieser Laden reichlich teuer und ich musste für das eine Getränk 900 Yen (5,50 €) zahlen.

Übrigens ist hier grade Final Fantasy Crisis Core raus. Überall, in den Zügen, im Fernsehen, auf den elektrischen Plakatwänden sieht man die Werbung. Matthias hat sich eine PSP inklusive FF Crisis Core für umgerechnet 160 € gekauft. Ich hätte auch gerne eine, aber ich bin ja leider nur zum Lernen.

Ich bin am Ende mit der allerallerletzten Bahn nach Hause gefahren. Danach kam nichts mehr, entsprechend war diese Bahn voller als die Bahnen tagsüber.


Kawasaki. 21.9.07

Heute Abend wollen wir (in etwa dieselbe Gruppe wie am Vortag) mal richtig den Elefanteneber rauslassen! Zuerst soll es all-you-can-saufen geben, danach die Nacht durchmachen in einer der größten Discos hier (in der nur leider Hiphop läuft). Die prognostizierten Kosten sollen bei mindestens 40 Euro für den gesamten Abend liegen, aber man muss das Leben auch mal genießen! Außerdem werde ich großzügig von diversen Institutionen finanziell gesponsert. Ich soll hier die japanische Kultur erforschen, und das mach ich ja schließlich auch!

Weitergehend habe ich mich heute mal getraut, die japanische Maschine von Mitsubishi auf meinem Zimmer zu benutzen. Anscheinend war auch das Zeug, dass ich für Waschmittel gehalten habe, wirklich Waschmittel. Die Wäsche scheint sauber und riecht gut, das wird wohl reichen. Weichspüler oder Antikaltzeug bracht man eh nicht. Jetzt trocknen die Sachen und ich bin sehr gespannt, ob die Kleider wirklich größer geworden ist, wie man es mir prophezeit hat.

Ach, noch ein wichtiger Hinweis für alle aus dem täglichen Leben: Achtet bei Lebensmitteln unbedingt auf das Haltbarkeitsdatum! Wenn man das nicht macht, dann das schlimm in die Hose gehen. Ich spreche gerade sowohl von Bananen und Brot als auch von Onigiri. Wenn man ein Gebilde aus Reis und Algen drei Tage zu lange im Kühlschrank liegen hat, entwickeln die Algen wieder Leben und laufen weg (im wahrsten Sinne des Wortes). Das ist dann eine riesige Schweinerei, erst recht, wenn man das erst in dem Moment merkt, wo man rein beisst.

20.09.2007

Shinjuku, Einstufungstest, Yokohama

Shinjuku. 17.9.07

Heute war ich mit Simon, Makino (Simons Freundin), Kai, Sven und Jan in Shinjuku, der angeblichen Yakuza- und Rotlichthochburg. Na ja, ganz so schlimm war es doch nicht. Mir sind wieder ein, zwei offensichtliche Yakuzas begegnet und ich habe japanische Bordelle gesehen (von außen). Sehen sehr lustig aus, rote Vorhänge am Eingang mit Bildern einer stoppenden Handfläche, auf der eine 18 gemalt ist. Ich konnte leider nicht so lange davorstehen bleiben, um die Kanji zu lesen.

Wir waren bei Mc Donald’s, eigentlich genauso wie in Deutschland, nur etwas billiger, wie ich umgerechnet habe. Aber Cheeseburger ist Cheeseburger, Pommes ist Pommes, überall.

Ich war zum ersten Mal bowlen. Bowling ist lustig, aber ich war sehr untalentiert und mit viel Abstand der Schlechteste.

Danach wollten Sven, Jan und ich noch zum Yoyogi-Park. Leider hatte der aber schon zu. Wir haben dann eine Stunde vorm Park behockt und Sachen ausm Getränkeautomat getrunken. Schließlich kam uns die Idee, nach Starbuck’s zu gehen. Mein zweites erstes Mal an diesem Tag. Leider war ich nicht so geistesgegenwärtig wie meine Mitstreiter, die bei etwa 25 Grad etwas Kaltes tranken, sondern holte mir einen glühendheißen Cappuccino. Ich habe mir die Zunge verbrannt, das tat weh.

Am späten Abend habe ich noch mit Thomas und Maksim über Skype telefoniert, es ging größtenteils um meine Ernährung hier, für die ich immer kritisiert werde.

Es war kein langweiliger Tag, aber leider ohne wirklich große Highlights.


Kawasaki. 18.9.07

Am Morgen gab es Gruppenwanderung der Austauschstudenten zum Bezirksverwaltung. Ich glaube, die Bezirksverwaltung mag ab jetzt keine Ausländer mehr. Ich habe mir den vorläufigen Ausländerausweis geholt und mich für die Nationale Krankenversicherung angemeldet. Ab jetzt kann ich krank werden. Mein persönliches Highlight war, dass der Beamte der Nationalen Krankenversicherung am Ende „Auf Wiidazehen“ gesagt hat.

Danach ging ich noch mit Jeong Lebensmittel einkaufen, das übliche Zeug, was an die westliche Küche erinnern soll. Jeong hat sich panierte Riesengarnellen gekauft, sie meinte, die seien lecker.

Eigentlich wollten wir noch nach einer Kamera und einen Bankkonto gucken, aber weil Jeong noch lernen wollte, gingen wir um vier etwa nach Hause. Dort habe ich dann erst mal geschlafen.

Leider habe ich an diesem Tag auch erfahren müssen, wie alt Jeong wirklich ist. Ich lag natürlich mal wieder mit meiner Vermutung total daneben. Die Gute ist schon 35, also mitten in den Wechseljahren. Wenn sie mit 12 schwanger geworden wäre, könnte ich ihr Sohn sein. Komische Sache.


Keiô. 19.9.07

Mein Acadamic Advisor-Interview. Es sollte mir einen Vorgeschmack auf den Studentenalltag geben, der nächste Woche beginnen wird. Zuerst bekam ich das Ergebnis meines Einstufungstest. Da ich ein ehrlicher Mensch bin, stehe ich hier öffentlich zu meinem Misserfolg. Ich bin im Kurs 2F, das heißt Mitte 2, das heißt ich bin ein erweiterter Anfänger, das heißt ich habe in Deutschland nur 3 Semester Sprachunterricht gehabt. Eigentlich waren es ja 4, aber da ich nur sehr knapp in 2F gekommen bin, also fast nur 2 Semester in Deutschland gehabt hätte, halte ich jetzt lieber die Klappe.

Na ja, ich habe niemals den Anspruch gehabt, gut in Japanisch zu sein. Dafür habe ich aber den Anspruch, noch Freizeit zu haben. Learning by doing, not pauking!

Mir wurde weitergehend 3mal gesagt, dass der Japanisch-Unterricht in Japan ganz anders wäre als der in Deutschland. Ich habe Angst. Ich habe mich auch noch nicht getraut, Fujita-sensei von meinem bescheidenen Ergebnis zu berichten.


Tamachi. 19.9.07

Ich habe ein Bankkonto eröffnet. Eigentlich total langweilig, nur leider war ich so doof, fast mein ganzes Geld auf das Konto einzuzahlen. Da ich erst Ende nächster Woche die Cashkarte und damit die Möglichkeit zur Auszahlung erhalte, muss ich jetzt dringend sparen. Das heißt der Fotoapparat muss leider auch noch warten.

Eine lustige Sache ist, dass ich mein Geburtsdatum immer in japanischer Form, das heißt nicht 1985, sondern Shôwa 60 angeben muss.

Jeong wollte mir mal japanisches Essen zeigen. Wir aßen Kyodon, so soll das Zeug laut Jeong geheißen haben. Es war eine Schale mit Reis, auf der ein Häufchen in Streifen geschnittenes Rindfleisch gelegen hat. Es hat ein bisschen an Dönerfleisch erinnert. Das Gericht war mittelmäßig lecker (passend zum Ergebnis meines Einstufungstests), selbst Jeong hat es nicht geschmeckt.


Yokohama. 19.9.07

Wir gingen in ein riesiges Elektrokaufhaus, vorrangig um uns Handys zu kaufen. Für diese Sache bin ich Jeong wohl zu ewigen Dank verpflichtet. Sie hat für mich alles geregelt und ich habe kein einziges Wort verstanden. Ich soll jetzt angeblich einen supergünstigen Tarif für Studenten haben.

Jeong ihrerseits konnte kein Handy kaufen, weil sie eine Forschungs- und keine Sprachstudenten ist und deshalb keinen Studentenausweis hat. Sie hat lange mit dem Verkäufer diskutiert und war am Ende sichtlich angepisst. Zur Beruhigung hat sich dann eine Kamera und einen Drucker gekauft.

Übrigens heißt sie ab jetzt nicht mehr Jeong, sondern Hae In, „Hen“ gesprochen. Sie dachte, es sei an der Zeit, dass ich sie mit ihren Vornamen ansprechen darf. Als dann herauskam, dass Timo gar nicht mein Nach-, sondern mein Vorname ist, war sie etwas überrascht.

Zuhause habe ich dann die englische Packungsbeilage für mein Handy gesucht, und bin auf eine einzige Seite gestoßen. Ich muss anmerken, dass ein japanisches Handy keinerlei Ähnlichkeit mit einem deutschen hat. Es gibt nur einen Klingelton, keine verschiedenen Hintergrundbilder, nicht mal Spiele, dafür aber 2 Arten SMS-ähnliche Gebilde zu verschicken. Alles sehr kompliziert, ich kapiere nahezu gar nichts.

Die nächsten Tage gibt es keine besonderen Programmpunkte mehr. Ich habe fast kein Geld, Hae In will sich mit ihren japanischen Freundinnen treffen, vielleicht lässt sich was mit Sven und Konsorten organisieren. Sonst könnte ich ja auch mal was Japanisch lernen, wie wär das?

16.09.2007

Shopping mit Jeong, Shibuya-Ausflug

Yagami. 15.9.07

Am Abend rief mich Jeong an, ob wir zusammen einkaufen gehen wollen. Wir gingen zusammen zu dem Supermarkt, der, wie ich mittlerweile weiß, „Inageya“ heißt. Ich bekam Anschiss von Jeong, dass ich ja nur Süßigkeiten und kein richtiges japanisches Essen kaufen würde. Tja, in der Tat habe ich gestern so tolle Dinge wie Windbeutel und mit Käse überbackenes Baguettebrot entdeckt (Brot zählt hier ja auch zu den Süßigkeiten). Ich habe mir auch diese Koala-Bären gekauft, ihr wisst schon, diese Mini-Kekse in Bärenform mit Schokofüllung. Die gibt es auch manchmal in Deutschland. Ich wollte aber mal was Neues testen und kaufte sie mir in Vanille. Zuhause musste ich dann feststellen, dass es nicht Vanille, sondern Käsekuchen war … nicht so lecker.

Jeong meinte noch zu mir, Tintentisch würde gut schmecken. Ich glaubte ihr das, wollte es aber nicht testen. (Frauen und Tintenfisch, das erinnert mich immer an dieses widerliche Bild von Hokusai „Der Traum der Fischerfrau“ …)

Was aber extremst geil schmeckt, ist Pflaumensaft. Ich glaube, so was gibt in normalen deutschen Läden leider nicht.


Shibuya. 16.9.07

Jeong entpuppt sich immer mehr als Geist, den ich rief und danach nicht mehr los wurde. Okay, wer im Steinhaus sitzt, soll nicht mit Glasscherben werfen. Hätte sie mich heute um 9 Uhr(!) nicht angerufen, ob ich mit nach Shibuya käme, hätte ich wohl den ganzen Tag geschlafen. So fuhren wir mal nach Shibuya.

Für die Nicht-Japan-Kundigen, Shibuya ist nur sekundär eine schlechte Karaoke-Sendung auf Viva, primär ist das eines der hippsten Shopping-Viertel hier. Und in der Tat, genauso so chaotisch, unübersichtlich, bunt und belebt habe ich es mir vorgestellt … (Ich bedauere es täglich, immer noch keinen Fotoapparat zu haben … nächste Woche wird einer gekauft!!!)

Wir waren zuerst in einem riesigen Karstadt-Verschnitt namens „Tokyo Hands“. Ich wollte Ribin-Sripa kaufen („Living Slippers“, Hausschuhe). Hier muss man ja tatsächlich andauernd die Schuhe ausziehen, wenn man sein Zimmer betritt oder die Lounge, das ist nervtötend. Natürlich gab es nicht meine Größe, dabei habe ich nur 42. Der Witz ist, dass es nur eine Einheitsgröße für Hausschuhe gibt.

Danach waren wir (leider) sehr lange in einem Frauenkleidungsgeschäft. Interessant ist: Es hängen jeweils von jedem Kleidungsstück drei Teile aus (weil es drei Größen gibt) zum Ansehen und Anprobieren. Wenn man es dann kaufen will, liegen darunter in einem Regal neue, noch verpackte Versionen von diesem Kleidungsstück. Ich finde das sehr praktisch.

Schließlich wurde es Zeit fürs Mittagessen. Sie wollte in so seltsamen Läden mit einheimischer Kost essen, ich bevorzuge ja die bewährte Nahrung aus der Heimat, aber wir fanden einen guten Kompromiss: Mos Burger’s. Das ist eine japanische Kette, wo es amerikanisches Essen gibt. Und ich muss zugeben, der Whopper ähnliche Burger, den ich gegessen habe, schmeckte ziemlich gut. Nur die Pommes waren dick und matschig. Ich habe ein bisschen den Mc Donald’s und Burger King bekannten Massenwaregeschmack vermisst. Ich war übrigens schockiert, dass Jeong die Crème de la Crème der westeuropäischen Küche verschmäht hat – Pommes. Leider essen die Japaner diese aber nie mit Ketchup oder einer anderen Soße.

Nach dem Essen waren wir noch im Disney Store, da gibt es zu allen Disney-Filmen alle möglichen Fanartikel. Ist aber eher was für kleine Mädchen, trotzdem sehr sehenswert, spiegelt japanische Kawaiiness („Süßheit“)-Klischees wieder. Jeong schlug mir vor, Winnie the Pooh-Hausschuhe zu kaufen, was ich aber nicht tat.

Natürlich begegnen mir auch täglich zahlreiche japanische Kuriositäten: Schuluniform-Schulmädchen, Hiphop-Pseudo-Gangster, alte Leute in Kimonos, Emos und Visus. Oft kommt es mir so vor, als gäbe es für jeden deutschen oder westlichen Menschen bzw. Stereotypen ein japanisches Pendant. Ich glaube heute sogar schon Yakuza gesehen zu haben, es waren zumindest Leute mit Bodysuit-Tätowierungen.

Ich will vielleicht noch kurz anmerken, dass die Gespräche mit Jeong oft sehr unterhaltsam sind. Sie fragte mich z.B. ob ich aus West- oder Ostdeutschland komme, welche Blutgruppe ich habe, ob ich in der Heimat jeden Abend viel Bier trinken würde, ob ich oft Würstchen essen würde, ob ich Chinesen mag.

Am Ende waren wir noch in einem Reclycling-Shop. Ihr denkt jetzt sicher, wie ich auch anfangs gedacht habe, dass das ein Laden sein muss, wo man seinen wiederverwertbaren Müll oder Sondermüll hinbringen kann, oder? Na ja, in Wahrheit heißen so diese bereits von mir beschriebenen Alles-Mögliche-Gebraucht-Waren-Läden. Diese Läden sind, denk ich, wirklich ganz praktisch und die Waren sind meistens echt noch im sehr guten Zustand. Jeong kaufte sich einen großen Ganzkörperspiegel, wieso auch immer.

Morgen ist hier Feiertag, wie ich heute zufällig erfahren habe, darum gehen wir erst Dienstag zur Bezirksverwaltung. Morgen treffe ich mich mit Sven (Eichelberg) und meinem besonderen Freund Kai in Shinjuku.

15.09.2007

Mein geiler Bezirk, die angeblich überfüllte Bahn und der Placement Test

Bezirksverwaltung von Saiwai. 13.9.07

Ich musste dorthin, um mich offiziell als Ausländer anzumelden (sonst würde ja nie jemanden merken, dass ich einer bin). Laut Marco Polo, dem Reiseführer, sollte man niemals mit einem japanischen Bus fahren, das sei viel zu kompliziert. Ums kurz zu machen, man steigt vorne ein, wirft beim Fahrer 200 Yen (1,20 €) in einen Automaten, soviel kostet jede Fahrt, man setzt sich hin. Okay, die einzigen Schwierigkeiten könnten sein, dass es keine genauen Fahrplänen mit den einzelnen Haltestellen gibt, sondern immer nur die wichtigsten Orte genannt werden, an denen der Bus vorbeifahrt, und die Tatsache, dass die Haltestellen im Bus nur als Kanji angezeigt werden.

Ich habe ja bereits einmal über die Englischkenntnisse der Japaner gesprochen, - natürlich konnte der Beamte am dem Schalter, der ausschließlich für die Ausländerregistrierung vorgesehen ist, kein Wort Englisch …

Ich bekam am Ende einen Haufen japanischer Infoheftchen, die sich größtenteils mit dem richtigen Verhalten bei Erdbeben beschäftigen. Das touristische Highlight meines Bezirks soll ein Zoo sein, für den überall Werbung gemacht wird. Auf den Bildern sieht er nicht viel anders und besser aus als ein deutscher Zoo. Ich spare mir jetzt mal ein Kommentar darüber, wie toll ein Bezirk sein muss, wenn das (einzige) touristische Highlight sein Zoo sein soll …

Auf dem Rückweg ist mir dann noch etwas passiert, das mir niemand glauben wird: Ich bin in eine Bank eingebrochen! Ja, das ist wirklich wahr! Ich wünschte, ich hätte einen Fotoapparat gehabt. Die Bank befand sich an einer Bushaltestelle, da saß zuerst eine Mutter mit Kindchen, als sie gingen, setzte ich mich dorthin – und Krack! – das billige Plastikteil ist tatsächlich übergebrochen. Es hat zum Glück keiner gesehen. Ich habe es gut wieder ineinander gesteckt bekommen, so dass man nichts sehen konnte. Ich fühle mich jetzt fett.

Noch kurz zum Kulinarischen, ich habe mir eine Packung Spagetti Napoli gekauft. Sie waren essbar, hatten aber kaum Ähnlichkeit mit den Spagetti Napoli hier. Die Nudeln waren sehr dick und weich, nicht aldente oder wie das heißt, und die Tomatensoße schmeckte wie verdünnte Sojasoße.


Keiô Uni. 14.9.07

Ich bin mit der berühmten Yamanote-Bahn gefahren, ihr wisst schon, das Ding, was immer im Fernsehen kommt, wo die Leute von dem Bahnpersonal reingequetscht werden müssen. Glaubt mir, das sind alles bezahlte Statisten! Obwohl ich bis jetzt viermal zur Rushhour damit gefahren bin, war das Ding bei weitem nicht so voll wie die 707 um kurz vor Neun. Aber ich muss sagen, dass die Prognose der Keiô, der Weg zur Uni betrage nur 50 Minuten, sehr optimistisch war. Ich brauche trotz schnellem Gang und (mittlerweile) Ortskenntnis mindestens 65 Minuten.

O-ri-en-te-shen Dee! (Orientierungstag in der Uni) Mein Gott, war das langweilig! Obwohl etwa ein Drittel der Anwesenden laut eigener Aussage (jeder musste sich kurz vorstellen, auch der Timo Teeren-san aus Dusseldorf, die kennen hier ja leider kein „Ü“) kein Wort Japanisch sprach, waren alle Infoveranstaltungen auf Japanisch mit englischen Untertiteln in Form von ausgeteilten Blättern. Wie gesagt, tot langweilig.

Hab ein paar andere Deutsche dort gesehen, aber irgendwie hatte ich keinen Bock, mit denen zu reden. Und es gab eine extremste Kuriosität: Sie kam aus Frankreich, trug ein schwarzes Rüschenkleid mit hohen Lackstiefel, hatte violette Haarsträhnen und zahlreiche Piercings nicht nur im Gesicht, im Mund und in den Ohren, sondern auch auf dem Rücken. Tja, die spinnen halt ein bisschen, die Franzosen (auch die anderen, die mir begegnet sind).

Aber das ist nicht die einzige seltsame Person, die mir an diesem Tag begegnet war. Als ich morgens zur Uni fahren wollte, sprach mich am Fahrkartenautomate jemand auf Japanisch an, ob ich auch Austauschstudent sei und ob ich wüsste, wie man eine Fahrkarte kauft. Diese Person hieß – phonetisch geschrieben – „John“, es handelt sich dabei aber nicht um einen Amerikaner oder Ähnliches, sondern um eine Koreanerin. Eigentlich schreibt man ihren Namen auch „Jeong“.

Da ich mir bereits vorstellen kann, welche Fragen euch nun unter den Nägeln brennen, nein, sie ist nicht zu hübsch und ich habe „keine Intentionen“ bei ihr. Sie ist, wie alle Frauen, mit denen ich mich gut verstehe, ein bisschen toshiyori, soll heißen so Mitte 20 bis Anfang 30. Wie alle Koreanerinnen, falls ihr schon mal welche gesehen habt, trägt sie viel zu viel und viel zu auffälliges Makeup (ich reiche, wenn es geht, mal ein Foto nach). Sie studiert „Rôoo“ (law). Okay, kommen wir mal zu ihren Vorteilen: Sie spricht fließend Japanisch und hat den JLPT Stufe 1 („Quasi-Muttersprachler), weitergehend kann sie kaum Englisch, deshalb müssen wir Japanisch miteinander reden. Das hört sich jetzt vielleicht für euch etwas komisch kann, immerhin bin ich ja in Japan und soll trotzdem keinen haben, mit dem ich Japanisch reden kann? Aber das ist richtig! Ich wohne in einem Studentenwohnheim, da sprechen alle mehr oder weniger glaubhaftes und nervtötendes Ämerikän-Inglish. Ich denke, dass es noch einige Wochen dauert (bis der tägliche Unterricht anfängt), bis ich dann zu „echten“ Japanern gute Kontakte knüpfen kann. Deshalb ist das mit Jeong eine gute Zwischenlosung. Sie für ihren Teil ist einsam, weil es hier keine anderen Koreanerinnen gibt. Sie hat mir auch erklärt, dass der „Korea-Boom“, der in den Kulturwissenschaftlichen Seminaren meiner Heimatuniversität oft erwähnt wird, mittlerweile wieder weitensgehend verschwunden sei und wieder mehr Konkurrenz zwischen den beiden Nationen herrscht. Im Alltag profitieren wir voneinander: sie kann mir alles Japanische, was ich nicht verstehe, erklären, und ich helfe ihr im Gegenzug bei ihrem nicht vorhandenen Orientierungssinn. Das mag chauvinistisch klingen, aber sie ist eine echte Ortslegasthenikerin. Wenn man ihr nicht sagt, wo der tadashii michi (richtige Weg) ist, verläuft man sich heillos. Und diejenigen, die Ahnung von Japan und Japanisch haben, bitte noch mal über die Pointe von eben lachen: JLPT 1 und schafft es nicht eine Fahrkarte zu kaufen!!!

Na ja, Montag gehen wir zusammen zur Bezirksverwaltung (ich habe leider vergessen mir einen vorläufigen Ausländerpass ausstellen zu lassen, den ich unbedingt brauche), danach Bankkonto eröffnen, Handy kaufen und Handy-Vertrag abschließen, eventuell noch Fotoapparat kaufen. Das wird anstrengend werden …


Keiô Uni. 15.9.07

PLACEMENT TEST!!! Jetzt wird sich zeigen, wie wenig Japanisch ich wirklich kann.

Ich habe letzte Nacht von 22 bis 23 Uhr gelernt und dann noch mal von 1.30 bis 3 Uhr. Das ist mittlerweile fast mein fester Schlafrhythmus, meistens schlafe ich von 22 bis 24 Uhr und dann noch mal von 3 Uhr bis 6 Uhr. Wie bereits gesagt, mit der Zeitumstellung komm ich irgendwie nicht so klar.

Der Test … im Nachhinein muss ich sagen, die Zeit, die ich dafür gelernt habe, hätte ich besser nutzen sollen. Es ist bewusst unmöglich, alles zu bei dem Test zu können, ich hoffe, dass es zumindest für die Hälfte gereicht hat. Den Stufe 3-Kurs, in den eigentlich wollte, habe ich bereits vergessen, es wird wohl der 2er, falls es der 1er wird, muss ich Selbstmord begehen, um meine Ehre wieder herzustellen. (Erklärung: 1 = keine Vorkenntnisse, 2 = 700 Kanji, 3 = 1300 Kanji, 4 = keine Ahnung, Gott oder so was. Es geht zwar eigentlich gar nicht um Kanji, aber die sind eben immer ein guter Richtwert für das Lernniveau.) Fujita-sensei hat mir bereits prophezeit, dass ich mit meinen 500 Kanji (ich dachte, es seien mehr) in den 2er kommen werde, obwohl leider fast alle bisherigen Austauschstudenten von meiner Uni in den 3er gekommen sind.

Sonst tote Hose heute, viel zu warm hier. Wie die in Okinawa das wohl aushalten?

Flug, Ankunft und lost baggage

„Konnichi wa!“ aus dem Land des Lächelns, des Sonnenaufgangs, der Play Station und der beheizten Klobrille!

Ich bin mittlerweile tatsächlich dort, obwohl ich es immer noch nicht ganz begreife und mich wie in einem komischen Traum fühle, wenn ich alleine durch die Straßen von Yagami, Saiwai-ku, Kawasaki (auf Deutsch einen Vorort von Kawasaki) lustwandle. Aber ich fange besser mal am Anfang an …


Düsseldorf, Flughafen. 10.9.07

Nach der Verabschiedung von JP, Kenta und Kan-san bin ich ins Flugzeug gestiegen. Das Schönste sind der Start und die Landung, weil man sich dabei wie in einer sanften Achterbahn fühlt, die aber eben genau die richtige, noch angenehme Intensität des Wackelns und der Erschütterung besitzt.


London, Heathrow. 10.9.07

Endlich bin auch mal in England gewesen. Von Terminal 1 zu Terminal 3, ein bisschen schnell, wenn es geht. Ich habe mich wirklich sehr beeilt, aber die Handgepäck-Kontrolle inklusive Schuh-Kontrolle hat lange gedauert. Dann war der Shuttlebus überfüllt … ich kam um ein paar Minuten zu spät. Die Mitarbeiter von der atlantischen Jungfrau (Virgin Atlantic) schickten mich zurück zu Terminal 1, ich solle mich bei den britischen Flugwegen melden (Britisch Airways). Also noch mal Handgepäck- und Schuh-Kontrolle, Shuttlebus … übrigens, Kan-san, falls du das liest, für deine Studie über Höflichkeit und so, die Engländer sind mindestens genauso unhöflich wie die Deutschen.

Natürlich habe ich den nächsten Flug der British Airways auch um ein paar Minuten verpasst, aber zum Glück fliegen die alle zwei Stunden. Ich befand mich also seit gut zwei Stunden im Heathrow Airport und hatte jetzt noch zwei weitere Stunden zum Duty Free-Shopping. Falls mal irgendwer eine Führung durch den Heathrow Airport wünscht, bitte an mich wenden. Ich kaufte mir Lippenbalsam, denselben wie ich in Deutschland habe, allerdings brennt die englische Variante ein bisschen, des Weiteren ein kleines Tütchen orientalische Chips, Augentropfen, Airwaves und eine Cherry-Diet-Coke für 1,39 Pfund. Als ich dann um Zeit totzuschlagen in den Laden nebenan ging, musste ich erkennen, dass dieselbe Cola dort nur -,99 Pfund kostet …


In luftigen Höhen. 10.9.07

Man merkte schnell, dass die British Airways-Maschine nach Japan flog. Es war eng, ich konnte die Beine nicht ausstrecken … aber es gab als Getränk Japanese Tea und als Lunch Chicken Teriyaki. Ich schaute mir „Fantatic Four and the Silver Surfer“ an, war aber reichlich enttäuscht davon. Am Morgen wählte ich English Breakfast, das ist ein Omelett mit Pilzen und Currywurst ohne Curry. Jetzt weiß ich, was Stephanie jeden Morgen essen muss.


Narita Airport. 11.9.07

Ja, man merkt schnell die klimatischen Unterschiede. Mittlerweile nenne ich es angenehm schwül, bei meiner Ankunft fand ich es aber noch erdrückend stickig.

Direkt als ich ankam, fand ich einen Zettel: „Mr. Thelen, bitte zum British Airways-Gepäckschalter, wir haben ein Problem …“ oder so was in der Art stand da. Passkontrolle, alles super, dann zum British Airways-Gepäckschalter. Eine halbe Stunde dort gewartet … sie seien very sorry, aber my bagagge didn’t arrive yet. Tja, das tat mir ebenfalls sehr Leid. Es würde morgen irgendwann kommen. Ich bekam als „Entschädigung“ eine Bankkarte mit 8,000 Yen, zirka 50 Euro.

Beim Zoll musst gab es einige Missverständnisse, weil ich mit meinem schlechten Englisch einem Japaner mit ebenfalls schlechtem Englisch vom Inhalt meines imaginären „lost baggage“ erzählen musste.

Am Bankautomaten hatte ich dann das Problem, dass dieser nur Japanisch oder Englisch verstand. Aber ich nutzte meine Vorteile als offensichtlicher Ausländer aus und bat zwei junge Damen um Hilfe. Die hatten zwar auch Anlaufschwierigkeiten, aber am Ende hatte ich das Geld. Ich fuhr dann mit dem Narita-Express zum Tôkyô-Bahnhof …


Narita-Express. 11.9.07

Die Fahrt mit dem Narita-Express war lustig. Ein Schaffner geht mit einem magischen Regenschirm am ganzen Zug vorbei und wie durch ein Wunder öffnen alle Türen, kurz nachdem er an ihnen vorbei gegangen ist. Ich will auch so einen magischen Regenschirm haben (Nathalie sicher auch).

Während der Fahrt sah ich viel japanische Natur, Reisfelder und so weiter …


Tôkyô-Bahnhof. 11.9.07

Okay, das Tôkyô einen großen Bahnhof hat, habe ich erwartet. Aber er war in Wirklichkeit riesigst riesig. Ich versuchte mich anfangs alleine zu Recht zu finden, natürlich mit ebenso riesigem Erfolg. Ich kaufte ihn einem Drug Store ein Deo, das nach Citrus riecht, aber nicht wie Putzmittel, sondern ein durchaus schönes Citrus.

Ich gab die alleinige Suche auf und sprach Japaner auf Englisch an. Nach dem dritten Versuch gab ich das auf. Das soll nicht heißen, dass Japaner kein Englisch können, nur kam es oftmals vor, dass sie verzweifelt nach englischen Vokabeln suchten, bis ich ihnen schließlich das entsprechende japanische Wort entgegen warf. Ich lernte schnell, dass man besten junge Japanerinnen anspricht. Diese sind am hilfsbereitesten. So kaufte irgendeine mit Uniform eine Fahrkarte für mich und zwei in Hiphop-Klamotten wiesen mich aufs richtige Gleis. Letztere beiden schrieen zuerst vor Entsetzen, als ich sie auf Japanisch ansprach.


Shinkawasaki. 11.9.07

Ich war endlich dort. Am Tôkyô-Bahnhof hatte es mich bereits unruhig gestimmt, dass viele den Namen Shinkawasaki (Neu-Kawasaki) noch nie gehört hatten. In der Tat war Shinkawasaki eine typische Vorstadt wie aus einem billigen japanischen Film. Alles sah irgendwie gleich aus, manchmal ein kleiner Schrein am Straßenrand, viele Mini-Geschäfte, in denen es alles Erdenkliche gab, und schließlich eine Menge Imbiss-Lädchen (Fotos reiche ich nach, wenn ich irgendwann eine Kamera habe). Ich ließ mich aber nicht davon aufhalten und ging zielsicher eine Viertelstunde lang (das ist tatsächlich der schnellste Weg, kein Bus oder so) zu meinem Wohnheim Plume IS.


Plume IS. 11.9.07

An der Rezeption saß Mrs. Hongo, eine typische Japanerin um die 50 oder 60 mit zu großer Brille. Da ich ihr das Nötigste auf Japanisch sagen konnte, wirkte sie sehr freundlich. Sie führte mich in die Lounge (einen heruntergekommener Gruppenraum) und stellte mich einem der drei Japaner vor, die alle 35(!) Ausländer in diesem Wohnheim betreuen sollten. Leider habe ich mir den Namen meines „Betreuers“ noch nicht merken können. Er sieht in etwa so wie Hiro-sensei aus, nur etwa fünf Jahre jünger. Er zeigte mir dann mein Zimmer und so, eigentlich vollkommen langweilig, das zu erzählen. Er sieht sehr nach 70er oder 80er Jahren aus, das Rohr am Klo tropft, wenn man abspült, der Duschvorhang hat etwas Schimmel. Aber die Klima-Anlage ist geil. Wenn ich zurück nach Deutschland komme, kaufe ich mir sofort so ein Ding.


Ein Supermarkt (dessen Namen ich mir noch nicht merken kann). 11.9.07

Es sieht alles genauso wie in den japanischen (koreanischen) Supermärkten in Düsseldorf, bzw. wie in der Bakery My Sweetheart aus. Ich kaufte mir nur vertraute Dinge: Grünen Tee in Flaschen, C.C. Lemon (Zitronenlimonade mit dem hundertfachen an Vitamin C oder so ähnlich), süße Brötchen, Mini-Crossaints, Bananen und irgendwas aus Reis, Algen und grünem Gemüse, das irgendwie nach Gemüsesuppe schmeckt.


Plume IS. 11.9.07

Ich brauchte über eine Stunde um die vier weißen Bezüge Matratze, Kissen, großer und kleiner Decke zuzuordnen. Der Knackpunkt ist, dass die Bezüge teilweise bewusst zu groß sind, einer ein riesiges Loch in der Mitte hat, ein anderer hat Schnüre am Rand … egal.

Ich konnte natürlich nicht schlafen … bis etwa drei Uhr nachts … dann schlief ich endlich ein bis um 14 Uhr am nächsten Tag.


Kawasaki. 12.9.07

Da ich den halben Tag verschlafen habe, blieb nicht mehr so viel Zeit. Natürlich war mein Koffer noch nicht angekommen. Ich begann, glaube ich, langsam zu stinken. Ich bin zum Supermarkt (demselben wie am Vortag) gegangen und kaufte ein Handtuch, Zahnbürste, Zahnpasta, Seife, Haargel … Zum Haargel will ich anmerken, dass es mit „very strong“ etikettiert ist, in Wahrheit aber praktisch nach Einschmieren in den Haaren vollkommen verschwunden und nutzlos ist. In einem reichlich seltsamen, aber für die Verhältnisse hier durchaus normalen Gebraucht-Alles-Waren-Laden kaufte ich einen Föhn.

Es war ein großartiges Gefühl, nach etwa zweieinnhalb Tagen endlich zu duschen …

Ich ging davon aus, dass mein Gepäck wohl noch etwas länger brauchen würde und ging mir schon mal in der Nähe die Kleidungsgeschäfte ansehen. Nebenbei wollte ich nach Hause telefonieren, so wie E.T. damals. Das hat zwar seine Zeit gedauert, wegen seltsamer notwendiger Vor-Vorwahlen, aber irgendwann schaffte ich es nach gut einer halben Stunde. Ich kann jetzt die japanische Variante für „Kein Anschluss unter dieser Nummer“ beinahe auswendig.

Als ich um 21.30 Uhr Ortszeit wieder am Wohnheim ankam, oh Wunder, mein Koffer war da! In Japan arbeiten (zum Glück) alle immer, die Supermärkte haben oft die ganze Nacht auf, und die Post kommt sogar mehrmals täglich.

Am Abend habe ich mir dann in der Lounge eine japanische Gameshow angesehen. Sie hieß „803“ (keine Ahnung warum) und es ging darum, dass drei Frauen um die 30 ein paar Fragen über das Leben der Jugendlichen beantworten mussten, zum Beispiel den Namen von gerade angesagten Bands, neuen Modetrends und Abkürzungen. Zwischendurch mussten die Kandidaten immer wieder beweisen, dass sie kawaii (süß) gucken können. Die Verliererin, diejenige, die die wenigsten Fragen richtig beantworten konnte, bekam eine Strafe, eine richtig schlimme … sie musste traditionelle japanische „Großmutterkleidung“ anziehen, also Kimono und so weiter … und das war ihr wirklich extrem peinlich. Okay, ich fände es auch peinlich, wenn ich eine Lederhose tragen müsste.

Um 23 Uhr wollte ich schlafen gehen, aber da ich mich noch nicht an die Zeitverschiebung gewöhnt habe, bin ich jetzt (4.30 Uhr) immer noch hellwach. Ich habe es geschafft Internet zu bekommen und quäle diejenigen, die sich (noch) meine Freunde aus der Heimat nennen, mit meinen Erlebnissen in dem Land, wo die Wasserhähne nur lauwarm (Beschriftung: kalt) und glühend heiß (Beschriftung: warm) kennen.

[Anmerkung: Ab morgen (14.9.) habe ich Unterricht, danach schreibe ich nicht mehr so viel.]