28.10.2007

Naturkatastrophen, Baseball, Wetter im Badezimmer

Wieder geht eine Woche zuende …


Kawasaki. 23.10.07.

Curry-Reis-Party im Wohnheim! Das heißt Flate-Rate-Saufen! Ja, ich habe auch meine üblichen Wohnheimpartyfreunde wiedergetroffen, mit denen ich normalerweise nichts zu tun habe. Und eine weitere Japanerin, die Deutsch lernt! Aber die wirkte auf mich sehr depressiv und hat sich auch danach nicht mehr gemeldet. Mein persönliches Highlight war, dass mir ein besoffener Vietnamese „Sonne“ von Rammstein vorgesungen hat.


Kawasaki. 24.10.07.

Ich hab endlich von dem „Wir-helfen-Ausländern“-Zirkel der Keiô einen Konversationspartner bekommen! Er hat mir eine SMS geschrieben, in der er sich vorgestellt hat. 19 Jahre, kommt eigentlich aus Osaka, sehr kommunikativ und freundlich. Sein Name: Akino! Ich habe rumgerätselt … ja, das ist ein weiblicher Name! Juhu, endlich sollte ich mal eine Japanerin kennen lernen, die kein Deutsch spricht! Viele Beziehungen haben als Gesprächspartner angefangen …

Okay, als ich die SMS zum dritten Mal gelesen habe, ist mir zum Glück aufgefallen, dass Akino in Wirklichkeit Akinobu heißt (ich hab die letzte Silbe übersehen, weil sie nach einem Zeilenumbruch stand). Also doch männlich … mittlerweile weiß ich aber, das grundsätzlich keine gemischten Konversationspaare zusammengeführt werden.

Ich habe mich dann auch mit Akinobu getroffen. Ein Hiphop-mäßiger Vogel, der wirklich sehr nett ist. Aber leider verstehe ich ihn nur sehr schlecht, weil er ein bisschen mit Osaka-Betonung spricht. Nach dem Treffen hat er mir noch eine SMS geschrieben, wie lustig das Treffen gewesen wäre und wie sehr er sich auf das nächste freue.


Überall in Japan. 27.10.07.

Japan ist bekanntlich das Land der Naturkatastrophen. Aber eben leider nur bekanntlich und nicht in der Realität. Ich warte jetzt seid fast zwei Monaten auf mein erstes Erdbeben oder zumindest einem Besuch von Godzilla, aber nichts dergleichen!

Bis zu diesem Tag!

Etwa 100km vor der japanischen Küste gab es einen Taifun! Das heißt, es hat hier etwa zwei Tage lang ununterbrochen geregnet, der Himmel vor dunkel, als wäre es Nacht, und der Wind fegte mit Lichtgeschwindigkeit über das bergige Festland. Okay, das Beste waren eigentlich die jüngeren Japanerinnen, die immer lauthals vor Entsetzen schrieen, als ihre Regenschimmer auseinander flogen. Ansonsten fielen noch eine Menge Zuge aus, weswegen ich nicht einkaufen gehen konnte. Aber insgesamt doch eine überschaubare Naturkatastrophe, nur leider brauchte meine Kleidung einen ganzen Tag, bis sie endlich wieder getrocknet war.


Kawasaki. 26.10.07.

Nach dieser beeindruckenden Naturgewalt noch eine kleine erheiternde Banalität: Hae In hat mich abends angerufen, weil sie ein großes Problem hatte und unbedingt meine Hilfe brauchte. Die Glühbirne in ihrem Badezimmer war kaputt.

Aber bis ich das verstanden habe! Zuerst hat sie mir etwas von „tenki“ (Wetter; Licht wäre „denki“, war wahrscheinlich mein Fehler), in ihrem Badezimmer erzählt. Ich versuchte ihr zu erklären, dass in ihrem Badezimmer, weil das ein geschlossener Raum ist, kein Wetter sein kann. Dann hat sie es auf Englisch versucht und mir von „right“ erzählt („light“, das L-R-Problem, ihr wisst schon). Wieso rechts? … Irgendwann hab ich es aber zum Glück gerafft. Jetzt könnt ihr euch vorstellen, wie die Gespräche zwischen ihr und mir immer ablaufen.

Jedenfalls, ihr Problem war, ob sie besser den Hausmeister fragen soll, ob er Glühbirnen hat, oder besser selber eine kaufen gehen soll. Schwerwiegendes Problem, nicht? Na ja, wenn man den ganzen Tag japanische Gesetzesbücher liest, dann kann es leicht passieren, dass man an banalen Fragestellungen des Alltags verzweifelt.

Übrigens behauptet sie, jeden Abend bis 1 Uhr zu lernen, um 7 Uhr aufzustehen und weiter zu lernen. Ich lerne jeden Abend nur bis 6 oder 7 Uhr.


Baseballstadion von Gaienmae. 28.10.07

Das große Keiô-gegen-Waseda-Baseballspiel! Zur Erklärung, die Waseda ist unsere Konkurrenz-Uni, die aber leider mittlerweile besser in Rankings und so geworden ist.

Das Spiel war wirklich anstrengend. Wenn das eigene Team dran ist, muss man aufstehen und klatschen, wenn die Gegner dran sind, im Sitzen klatschen. Das dann über 4 Stunden lang. Ja, man muss auch dem Gegner Glück wünschen, dafür schick er aber auch mal kurz seine Cheerleader in den anderen Fanblock zum Tanzen vorbei.

Am Ende haben wir natürlich 1:0 gewonnen.


Shibuya. 28.10.07.

Ich war nach dem Spiel noch mal kurz einkaufen. Es gibt tatsächlich keinen vernünftigen „Business-Gürtel“ in meiner Größe. Nur Idiotengürtel oder welche für Adipositas-Leute. Na ja, am Ende habe ich mir dann eine Oberstylerjacke für etwa 60€ gekauft, die eigentlich viel zu cool ist um sie anzuziehen.

Mein großes Problem ist, dass ich mich entscheiden sollte, ob ich lieber einen auf Oberstyler oder Business-Man machen will, damit ich das Richtige einkaufen kann. Da ich im Moment noch in beide Richtungen einkaufe, kriege kein komplettes Outfit zusammen.

Okay, neben diesem schwerwiegenden Problem habe ich zufällig auch die Rotlichtstraßen in Shibuya entdeckt. Ich muss sagen, dass diese Stundenhotels gar nicht so teuer sind, wie es immer heißt. 2 Stunden etwa 20€ in einem unspektakulären Zimmer, 3 Stunden 25€.

Es ist übrigens für Leute, die nicht gut Japanisch können, sehr irreführend, dass viele, ich glaube, es waren Sexshops, als Ladenaufschrift „Kostenlose Information“ haben. Dieses
„Information“ ist dasselbe wie bei Touristeninfoläden.


Kawasaki. 28.10.07.

Und dann noch was Kurioses: Ein unbekannter Japaner hat mich aufm Handy angerufen und sagte, dass sei die Nummer seiner chinesischen Freundin. Er wollte mir nicht glauben, dass er sich verwählt hat und behauptete zeitweise, ich müsste seiner Freundin das Handy geklaut haben. Nach 10 Minuten konnte ich den Typen endlich abwimmeln, ich habe mich leider nicht getraut nach guter deutscher Manier einfach aufzulegen.


Ach, Kamera, ja, vielleicht nächste Woche mal …

20.10.2007

Bügeleisen, Wordtank, Vegetarisch

Hallo!

Obwohl ich eigentlich total keine Zeit habe, schreibe ich mal kurz was, bevor alles, was mir widerfährt, auch für mich selbst in der Vergessenheit verschwindet.

Ich will auch das große Vorurteil widerlegen, dass der Sprachkurs auf der Keiô so unglaublich schwer sein soll. Er ist ehrlich gesagt, nicht wesentlich schwerer als damals bei Fujita. Der große Unterschied ist nur, dass man hier alle Hausaufgaben etc. wirklich(!) machen muss. Alles wird eingesammelt, überprüft und benotet. Wenn man Fehler hatte, muss man die entsprechende Aufgabe (bzw. den Teil der Aufgabe) noch mal neu machen.

Es ist natürlich richtig unpraktisch, wenn man so blöd wie ich ist und dazu noch einen extra schweren Kanjikurs als Wahlpflichtfach nimmt. Ich eröffne bald im StudiVz die Gruppe „Kanji sind besser als Frauen“.


Yokohama. 9.10.07

Ich habe mir ein Bügeleisen gekauft. Jetzt lerne ich Bügeln. Das klappt auch eigentlich recht gut, nur ein ganz kleines Malheur ist mir widerfahren: Als ich fertig war, habe ich das Bügeleisen, nachdem es abgekühlt war, wieder zurück in den Schrank gestellt, wo auch die Uni-Unterlagen drin liegen. Jedoch habe ich vergessen, den „Dampfknopf“ wieder zu deaktivieren, soll heißen, das Scheißding ist ausgelaufen.


Keiô. 10.10.07

Ich habe einen Tandempartner kennen gelernt! … sehr stylisch gekleidet, spricht gut deutsch, ist sehr freundlich … ist aber männlich und heißt Takanori. Er war ein Jahr als Austauschstudent in Bonn und studiert eigentlich Wirtschaft.


Keiô. 12.10.07

Ich muss euch die Geschichte von Piketto-san erzählen. Piketto-san heißt im wahren Leben John Picket, ist Amerikaner, sieht aus wie eine Mischung aus Benjamin Rooney und Terence Hill (wenn ihr einen von beiden kennt, müsste das für ein grobes Bild ausreichen).

Piketto-san fiel zunächst dadurch auf, dass er ständig im Unterricht eingenickt ist. Als eine Dozentin ihn mal freundlich daraufhin gewiesen hat, meinte er, er würde in der Pause einen Kaffee trinken. Nach der Pause fielen ihm allerdings wieder die Augen zu und er bekam die Empfehlung, doch bitte etwas mehr zu schlafen.

Er lernte aus seinem Fehler und setzte sich nie wieder in die erste, sondern nur noch in die letzte Reihe, wo er von nun an gemütlich ratzen konnte.

Allerdings zeichnet sich Piketto-san noch durch eine weitere signifikante Charaktereigenschaft aus, die dem Klischee-Japanologen wunderbar entspricht: Er ist ein Otaku! Ja, er liest immer (vor dem Unterricht, während des Unterrichts, nach dem Unterricht in der Mensa …) Mangas.

Nun sind ebensolche Otakus ja bei dem Japanern besonders beliebt. In Deutschland könnte man das, was die Dozenten mit ihm machen, durchaus als „Mobbing“ bezeichnen. Wenn Piketto-san Beispielsätze erfinden soll und nicht sofort etwas antwortet, kommen so schmeichelhafte Vorlagen von den Dozenten wie „Weil Piketto-san Mangas mag, liest er sie von Morgens bis Abends“ oder „Früher waren die Mangas nicht so beliebt, aber heute liest sie jedes Kind“.

Wo ich gerade von meinem Sprackkurs erzähle, ein weiterer kurioser Teilnehmer ist Kim-san. Ein etwa 30jähriger, leicht machohafter Koreaner, der nur jedes zweite Mal zum Unterricht erscheint und immer so grandiose Beispielsätze erfindet wie: „Die besten Frauen der Welt sind Koreanerinnen.“ – „Ich lerne Japanisch, um mich mit Japanerinnen zu unterhalten.“ – „Wenn man zu viel trinkt, läuft man Gefahr, morgens neben einer hässlichen Frau aufzuwachen.“


Shibuya. 14.10.07.

Ich kaufe mir eine Hose aus tasmanischer Schafswolle. Toll, nicht?


Ikebukuro. 15.10.07.

Ikebukuro ist ein Einkaufsviertel ziemlich im Norden, über eine Stunde Zugfahrt für mich. Dort habe ich mich mit Takanori getroffen, er sollte mir dabei helfen, einen Übersetzungscomputer (Wordtank) zu kaufen.

Das ging am Ende wesentlich leichter als erwartet. Es gab in drei großen Geschäften jeweils dieselben beiden Modelle zum jeweils exakt gleichen Preis. Die 150-€-Variante für arme Schlucker, und die 300-€-Prollo-Variante mit Kanji-Aufmal-Touchpad, großem deutschen Wörterbuch, englischen Wörterbuch, Japanisch-Japanisch(e Worterklärung)-Wörterbuch … Ihr wisst schon, welche ich mir gekauft habe.


Hiyoshi. 15.10.07.

Ich bin noch mal mit Hae In weggegangen, aber diesmal war es irgendwie langweilig. Sie hat von ihrem Bier nur ein Viertel ausgetrunken, dadurch konnte ich mir aber immerhin das Geld für ein zweites sparen. Übrigens ist es in Japan und Korea eigentlich sehr unschön, sein Getränk weiter zu reichen oder andere Leute, auch Freunde, für Zigaretten anzuschnorren. Ich habe Yakitori gegessen, das heißt „gegrilltes Huhn“, schmeckt aber nicht so spektakulär. Na ja, bei dem Treffen war echt irgendwie gar nichts passiert, nur dass wir irgendwann mal zusammen was Deutsches kochen wollen und vielleicht irgendwann mal zusammen nach Kamakura fahren, das ist eine halbe Stunde Zugfahrt und da kann man sich Tempel angucken.


Keiô. 16.10.07

Der Zeitungslektürekurs ist sehr unterhaltsam. Der Dozent erinnert mich ein bisschen an Shimada und wirkt immer besoffen. Er gibt uns interessante Einblicke in die Gedankenwelt der Japaner. Auf der Keiô sind, laut ihm, nur Dummköpfe mit reichen Eltern, die die viel zu hohen Studiengebühren bezahlen können. Die Schlaueren, die die zentrale Aufnahmeprüfung für alle Studenten besser bestanden haben, dürfen auf die billigere staatliche Universität gehen, die auch einen besseren Ruf hat. Bei den Mädchen, die auf die Keiô-Highschool gehen, sieht es aber anders aus. Da die Highschools in der Umgebung alle etwa gleich sind, gehen die meisten zur Keiô, weil dort die Schuluniform schöner ist.

Ich will dazu noch anmerken, dass die Keiô-Schulmädchenuniform äußerst langweilig ist. Ein
weißes Hemd, darüber ein dunkelblauer Pullover und untenrum ein langer schwarzer Rock.


DAAD-Zentrum. 16.10.07.

Ich habe mal wieder meinen Geldgeber besucht. Jetzt weiß ich auch, dass mich u.a. die deutschen Steuerzahler finanzieren (neben den japanischen Steuerzahlern). Deshalb sollte ich ab jetzt noch arbeitsmotivierter sein … na ja, sollte …

Am Ende gab es vegetarisches Obentô (Lunchpaket, allerlei obskure Snacks in einer Holzschachtel). Ich habe gelernt, „vegetarisch“ heißt in Japan, dass das Essen keinen Fisch enthält. Rindfleisch, Garnellen und Fisch(!)paste sind demnach vegetarisch. Also ernähre ich mich nach japanischer Definition vegetarisch. Gut zu wissen.


Danach ist bis jetzt nicht mehr viel passiert, ich lerne halt größten Teil der Zeit. Bis bald!


07.10.2007

Frisör, Mäckes, DAAD, Welcome-Party ...

Hallo liebe Kinder!

Eine Woche voller spannender Ereignisse liegt hinter mir …

Okay, ich will ehrlich sein, da war so gut wie nichts. Ich stehe um halb sechs morgens auf, bevor ich zur Uni gehe, kaufe ich mir ein Onigiri (ein Klumpen Reis in Algen eingewickelt) als Frühstück. Ich quetsche mich in die vollen Bahnen, habe bis zwölf etwa Unterricht. Ich esse in der Mensa meistens Curry-Reis, gehe zum folgenden Unterricht oder in die Bibliothek zum Lernen. Aber es kommt auch sehr oft vor, dass ich in der Bibliothek einschlafe. Das geht leichter, als man denkt. Abends quetsche ich mich noch mal in die Bahn, gehe vielleicht noch Lebensmittel einkaufen, mache noch ein bisschen Hausaufgabe oder lerne und gehe um so halb elf schlafen. Montag bis Samstag. Total langweilig, wie ich gesagt habe.


Mita. 1.10.07.

Nach der Uni habe ich mich endlich mal wieder getraut, zum Frisör zu gehen. Ein Kanadier meinte vorher zu mir, ich sähe „bohemian“ aus. Das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen und habe mir einen Haarschneidespezialistin gesucht, der 30 € gekostet hat. Ums kurz zu machen, ich sehe natürlich immer noch so aus wie immer, aber die Haare sind sehr gleichmäßig und schön geschnitten. Für die 30 € durfte ich mir auch ein Shampoo aussuchen, es gab 12 Düfte zur Auswahl. Ich habe mich für Hibiskus entschieden, weil das das Einzige war, was ich verstehen konnte.

Anschließend bin mal zu Mc Donald’s gegangen. Ein Cheeseburger kostet nur 60 Cent etwa, eine kleine Pommes aber 1,20 €, das ist seltsam, deshalb esse ich hauptsächlich Cheeseburger. Mit „hauptsächlich“ meine ich so alle 3 Tage ein paar von den Dingern. Die schmieren hier mehr Ketchup drauf als in Deutschland, das finde ich gut.


Mita. 5.10.07.

Aber ich ernähre mich auch manchmal richtig. Ich habe zum Beispiel mit Hae In zusammen Ramen gegessen. ECHTES! Nicht diese Instant-Spaghetti mit Sojasoße aus Deutschland. Aber um ehrlich zu sein, schmecken diese mir doch ein bisschen besser. Aber das echte Ramen ist auch nicht so schlecht, das Komische ist nur immer, dass man nie so genau weiß, was man gerade isst. Das Fleisch kann man meistens noch Fisch, Rind oder Schwein zu ordnen, aber die pflanzlichen Zutaten könnten alles Mögliche sein (vorrausgesetzt, sie sind wirklich pflanzlich). Leider entfernen Japaner nie das Fett von Fleischstücken.

Ich habe ein normales Ramen gegessen, während Hae In mir mal wieder zeigen wollte, dass Asiaten scharfes Essen gewöhnt sind und bestellte sich ein scharfes. Mein normales war schon recht scharf, schärfer als das deutsche Instant-Ramen in der roten Verpackung; ihr kennt das sicher. Ich habe aber alles aufgegessen, und Hae In, na ja, die hat die ganze Zeit Wasser getrunken, sich die Tränen aus den Augen gerieben und rumgeheult, wie scharf ihr Ramen doch wäre. Es ist mir leider nicht gelungen, meine Schadenfreude zu unterdrücken. Hae In erklärte mir, dass das koreanische Ramen auf eine andere Art scharf wäre und vergleichbaren Blödsinn …


Keiô. 3.10.07

Ich stehe nichtsahnend am Abend auf dem Campus und rede mit einem koreanischen Austauschstudenten aus meinem Wohnheim, als plötzlich ein bekanntes Gesicht erscheint. Prof. Dr. Mae! Niemand hat mich vorher gewarnt, dass auch sie momentan auf der Keiô ist. Sie macht hier irgendwas mit Forschung bis Dezember. Ich musste vom Sprachkurs und so erzählen. Alles zu schwer und arbeitsintensiv, mehr kann man dazu nicht sagen.


DAAD-Zentrum. 4.10.07

Der DAAD hat mich zu einem Vortrag über „Forschungsmarketing in und für Deutschland“ [Titel vereinfacht] eingeladen. Als braver Stipendiat bin ich natürlich hingegangen (die letzte Veranstaltung habe ich schon sausen lassen, deshalb musste ich da unbedingt mal vortanzen, um bei denen nicht in zu viel Ungnade zu fallen). Glaubt ihr, dass dieser Vortag interessant war? Da ich ein seriöser Stipendiat bin, war dieser Vortrag selbstverständlich à la bonheur. Leider konnte aber nicht zur Aftershowparty dableiben, da mein Nachhauseweg etwa zwei Stunden betrug und am nächsten Morgen natürlich wieder einmal um 9 Unterricht war. Schade.


Saiwai-Bezirksverwaltung. 5.10.07

Ich habe meine Ausländerregistrierungskarte abgeholt. Das ist eigentlich nicht erwähnenswert, aber das Ding hat einen sehr lustigen Namen: Alien Registration Card. Ich bin also ein Alien für die Japaner, interessant …

Bei der Rückfahrt mit dem Bus habe ich endlich mal wieder den sagenumwogenen Ausländerbonus erlebt. Weil ich kein Kleingeld mehr hatte, habe ich den Busfahrer gefragt, ob ich auch mit meiner Bahnfahr-Prepaid-Karte bezahlen könnte. Er meinte ja, aber es wäre auch okay, wenn ich nichts bezahlen würde. So durfte ich schwarzfahren.


Keiô. 5.10.07

Am Abend war die Welcome-Party für die ausländischen Studenten. Das Ganze war sehr prunkvoll, mit Kapelle, Kimono-Ausführung, langer Begrüßungsrede und riesigem Buffet. Aber weil die meisten Ausländer und Japaner leider sehr verfressen sind, war das Buffet bereits nach sehr kurzer Zeit weg. Ich konnte mir aber zum Glück ein bisschen Bier ergattern. Nach dem dritten Glas (es war ja schließlich kostenlos), stand – oh Schock! – wieder Prof. Dr. Mae vor mir und wollte mit mir auf Japanisch sprechen. Aber ich hatte diesmal ungewartetes Glück: Ich hatte eigentlich mit Adam (einem australischen Austauschstudenten aus meinem Sprachkurs) gesprochen, und dieser hat dann, obwohl er sie gar nicht kannte, Prof. Dr. Mae über sein Leben hier zugelabert. Solange, bis sie freiwillig wieder gegangen ist.

Ich will noch kurz diesen Adam ein bisschen beschreiben. Er ist 34 und war, bevor er angefangen hat, Japanisch zu studieren, Ranger auf einer kleinen Naturschutzgebietinsel in Australien. Er sieht genauso aus, wie man sich einen Ranger vorstellt. Recht trainiert, etwas kantig, sehr maskulin. Hae In schien ihn übrigens auch ein bisschen zu mögen. Adam hat aber den Nachteil, dass er ein ungeheures Mitteilungsbedürfnis hat und auch im Unterricht fast ununterbrochen (mit dem Lehrer) redet.

Es gab auch noch eine Aftershow-Party mit Flatrate-Saufen, aber da ich am nächsten Tag um 9 Uhr Unterricht inklusive Kanjitest hatte, konnte ich mich daran leider nicht beteiligen. Es soll sehr lustig gewesen sein, habe ich gehört.

Übrigens habe ich auch gehört, dass es auf dieser Welcome-Party viele Ausländer-phile Japanerinnen gegeben haben soll, die um Annäherung bemüht gewesen sein sollen. Aber da ich die ganze Zeit mit Hae In rumstand, ging so was an mir vorbei.


Yagami. 6.10.07

Am Morgen bin ich mit diesem Koreaner, der bereits bei meinem ersten Treffen mit Prof. Dr. Mae anwesend war, zusammen zur Uni gefahren. Leider habe ich ehrlich gesagt seinen Namen wieder vergessen. Irgendwas mit „Wang Wang“. Jedenfalls hat er mir eine sehr interessante Frage gestellt: Er erzählte mir, weil er Koreaner ist, wäre es für ihn ja kein so großer Unterschied, ob seine Freundin Koreanerin, Japanerin oder Chinesin wäre. Für mich aber, als Europäer, müsste es doch sicher ein großer Unterschied sein, ob meine Freundin ebenfalls Europäerin oder eine Japanerin wäre. Obwohl ich diese Überlegung durchaus interessant fand, habe ich einen auf Klaus Kinski gemacht und meinte nur, ich würde die Frage nicht verstehen.


Shibuya. 6.10.07

Das große Trinken-Gehen zwischen mir und Hae In sollte anstehen! Aber vorher mussten wir noch einkaufen gehen. Sie musste bei Zara etwas umtauschen und ich habe mir eine Weste und ein Hemd gekauft. Die Preise waren nur ein paar Euro billiger als in Deutschland.

Übrigens, Tobias, falls du das hier liest, es handelt sich bei dem Hemd tatsächlich um das Schwarz-weiß-gestreifte, das du mir damals in Düsseldorf empfohlen hast.

Nach dem sehr zeitaufwändigen Einkaufen (ich bin dabei nicht so schnell) gingen wir zu Mc Donald’s (mal wieder). Ich hätte Hae In gar nicht so gewöhnliche und vor allem westliche Küche zugetraut.


Hiyoshi. 6.10.07

Hiyoshi muss man nicht kennen, ist ein belebteres Viertel von Kawasaki als Yagami, wo ich wohne. Ein bisschen mit Düren vergleichbar. Hae In suchte uns eine japanische Kneipe aus. Wir aßen Salat und tranken Ume – by the way, den besten Ume, den ich je getrunken habe.

Hae In hatte mir vorweg erklärt, dass sie nach einer Flasche Bier immer kotzen muss. Ich habe ihr daraufhin erklärt, dass es in Deutschland, vor allem für Frauen, äußerst unschön ist, anderen etwas über das eigene Kotzverhalten mitzuteilen.

Weitergehend wird sie von Alkohol immer müde. Na ja, ich habe sie lange bequatscht und ihr angeboten für sie zu zahlen, aber es blieb bei dem einen kleinen Ume. Ich meinerseits gönnte mir noch zwei große Bier. Aber leider habe auch ich keinen angemessenen Alkoholpegel erreichen können. Zumindest hat sie mir ein Bier zur Hälfte bezahlt.

Wo wir gerade von Geld reden – dieses Treffen war kein Date oder so! Ich wollte das nur sagen, bevor wieder so Leute wie Ulf hierzu Fehlinterpretationen anbieten. Bei einem richtigen Date mit einer Japanerin oder Koreanerin, bezahlt immer die Frau.

Ich habe mit Hae In viel über ihr Verhältnis zur westlichen Welt gesprochen. Sie mag eigentlich nichts aus dem Westen, nur Guns’n’Roses, Beethoven, Schubert und deutsche Märchen von Andersen. Okay, ich kannte im Gegenzug aus Korea nur den Film „Seom die Insel“ und die Band BoA.

Aber, wodurch sie bei mir hundert Sympathiepunkte gewonnen hat, sie musste in der Schule „Der Tempelbrand“ (Kinkakuji) von Mishima Yukio lesen und sie fand es gut. Sonst liest sie aber nur Gesetzbücher für ihr Studium. Nach dem Studium (in einem Jahr ist sie fertig und heißt dann voraussichtlich „Dr. Jeong“) will sie übrigens in Japan als Uni-Dozentin für Jura arbeiten. Ich habe sie daraufhingewiesen, dass sie dann aber aus Gründen des Visums einen Japaner heiraten sollte. Sie will darüber einmal nachdenken.

Aber wir haben auch über interessante Dinge gesprochen wie erste/r Freund/in, Gesamtanzahl der Freunde/innen, gleichgeschlechtliche Beziehungen, Treue bei Koreanern und Deutschen …

Alles war insgesamt sehr unterhaltsam, wir gehen irgendwann noch mal zusammen weg. Vielleicht will sie dann auch etwas mehr trinken.

Übrigens wollte hier auch ein Foto von ihr präsentieren, aber leider hat sie mir verboten, sie zu fotografieren. Irgendwann werde ich aber einfach mal eins von ihr machen, und wenn sie sich dann aufregen sollte, tue ich einfach so, als würde ich sie nicht verstehen. Das ist immer gut, wenn einem zu blöde oder private Fragen gestellt werden.

Bis nächste Woche, liebe Kinder!

30.09.2007

Die Ausbildung eines Papageis

So, wie ihr unschwer bemerkt habt, hat der Unterricht angefangen und der einzige freie Tag ist jetzt Sonntag. Klingt hart, ist aber so. Entschuldigung auch an alle, die sich gemeldet haben und keine Antwort erhalten haben. Innerhalb der Woche besteht mein Alltag ausschließlich aus Lernen, Schlafen und Essen (meistens Brot und Curryreis). Das wird sich leider auch vorerst nicht mehr ändern.


Keiô Daigaku. 25-29.9.07

Der Unterricht, ich fang mal damit an. Das Lehrbuch ist nicht großartig anders als in Deutschland, es gibt einen Lektionstext, Beispielsätze zur Grammatik und japanische Erklärungen zu den neuen Wörtern. Man muss pro Woche 1 Aufsatz, 1-2 Kanji-Blätter, 1-2 Fragen-zum-Text-Blätter, 1-2 Beispielsatz-Blätter und 2-4 Grammatikübungsblätter abgeben, weitergehend einen Dialog einüben. Kanji pro Woche etwa 15, Vokabeln 30-40. Hört sich noch nicht so schlimm an, oder? Bei Fujita-sensei war das Arbeitspensum nur minimal geringer. Aber gibt noch ein paar interessante Details. Die Hausaufgaben müssen auf Keiô-eigenen Papier abgegeben werden, das man in der Uni kaufen muss (100 Blatt etwa 1 €). Wenn man Sachen bei den Hausaufgaben falsch gemacht hat, muss man diese noch mal auf einem Sonderblatt abgeben. Alle Hausaufgaben werden benotet; die Noten sind A, B, C, D – gut, mittel, schlecht, durchgefallen. Alle 3-4 Tage ein Test.

So, und jetzt kommt der eigentliche Witz bei der Sache: wir müssen die Lektionstexte auswendig lernen! Wörtlich! Etwas in eigenen Worten wiederzugeben ist unschön, oft auch falsch für die Lehrer. Das erinnert ein bisschen an die Zeit vor 1945, nicht wahr? Deshalb tue ich mich auch leider noch sehr schwer mit dem Ganzen. Ich muss mir die Texte mehr als 20mal anhören, um sie halbwegs auswendig zu können. Immer wieder aufschreiben nach dem Hören. Bei den Tests muss man theoretisch auch nur den Lektionstext ausm Gedächtnis hinschreiben.

Im Unterricht hört man sich den Text an, danach muss man ihn auswendig nachplappern. Papagei-Timo kann schon einen extrem spannenden Text über den Apfel-Anbau in Japan auswendig, der Text über japanische Supermärkte braucht noch ein bisschen.

Ach ja, neben dem Sprachkurs gibt noch Zusatzkurse zu Kanji, Hörverstehen, Textlektüre usw. Davon muss ich auch noch 5 belegen, die beginnen aber erst nächste Woche und haben zusätzliche Hausaufgaben, Test etc.

Ums kurz zu machen: Alle, die früher einmal himmelhochjauchend zur Keiô wollten, bitte ich dies noch einmal zu überdenken. Es gibt zahlreiche harmlosere und humanere Wege nach Japan zu kommen. Ich kriege stetig mehr Falten und graue Haare, mein Hirn wird auch langsam matschig vom ständigen Nachplappern. Und mir spriesen bunte Federn. Na ja, Weihnachten sind ja wieder Ferien, ist ja schon ganz bald …


Shibuya. 26.9.07

Na gut, noch ein paar andere Kleinigkeiten sind auch passiert.

Ich war mit Simon, Jan, Sven, Haruka und Makino in einem japanischen Sexshop. Kai wollte lieber draußen warten. Ich eigentlich anfangs auch, aber die Neugierde hat gesiegt. Ich war allerdings nur im Eingangsbereich und habe mir die Kostüme angesehen. Schulmädchen, denkt ihr? Ja, das auch, aber ebenso Krankenschwester, Bierverkäuferin, Zigarettenverkäuferin, Kaffeeverkäuferin, Power Rangerin … mehr konnte ich mir leider nicht merken, ich mache irgendwann mal Fotos.


Kawasaki. 28.9.07

Eine kurze Geschichte aus der Rubrik interkultureller Missverständnisse. Hae In hat mich auf dem Telefon angerufen, um mir ihre Handy-E-Mail-Adresse zu sagen. Ich erkläre das kurz: hier haben die Handys neben SMS auch E-Mail, was wesentlich billiger ist und viel häufiger benutzt wird. Das Handy hat eine eigene E-Mail-Adresse, zu der man von überall E-Mails senden kann. Soll heißen, wenn ihr eine E-Mail an Korallenschlange@ezweb.ne.jp schicken würdet, würde die auf meinem Handy ankommen (natürlich müsstet ihr dafür nichts zahlen).

Okay, zurück zu Hae In. Sie sagte mir am Telefon ihre E-Mail-Adresse und ich schrieb sie auf. Sie wiederholte sie 3mal. Ich legte auf und versuchte ihr zu schreiben. Nichts. Ich rief sie an und fragte noch mal nach, alles war seltsamerweise richtig gewesen. Ich sagte ihr nun meine, vielleicht würde es ja so klappen. (Gleich kommt die Pointe, noch ein bisschen Geduld!) Es funktionierte wieder nicht. Wir telefonierten noch mal, und als sie meine E-Mail-Adresse noch mal vorlas, ging mir ein Lämpchen auf. Die Gute ist ja bekanntlich Ostasiatin und kann deshalb kein „r“ und „l“ unterscheiden. Weder wenn sie es ausspricht, noch wenn sie es hört. Selbst wenn ich – obwohl ich es richtig ausspreche – „r“ oder „l“ sage, hört sie wirklich keinen Unterschied. Kuriose Sache, nicht?

Da Hae In nach Ronja die meisten Kontroversen hervorgerufen hat, noch ein paar Worte zu ihr. Wir wollen in den nächsten Wochen mal einen Trinken gehen. Allerdings zeigt sich dabei doch sehr stark der nicht geringe Alterunterschied. Ich schlug Shibuya oder Shinjuku vor. Da ihr diese Gegenden aber bei Nacht zu hektisch, laut und gefährlich sind, sie des Weiteren von Alkohol immer sehr müde wird, wollen wir nun in unserem Wohnheimzinmer miteinander trinken. Langweilig, nicht?


Keiô Daigaku. 27.9.07

Irgendwann hatte ich auch mal Haruka in der Uni getroffen und länger mit ihr geredet. Sie behauptet, damals jedes Wochenende im Stone oder Schaukelstühlchen gewesen zu sein, auch Minipizza oder Holländische Pommes des Öfteren gegessen zu haben, obwohl ich sie niemals irgendwo gesehen habe. Düsseldorf ist ja nicht so riesig. Na ja, ich bin Haruka aber auch zu sehr großem Dank verpflichtet, weil sie meine Handyrechnung bezahlt hat. Also nicht mit ihrem eigenen Geld, aber sie hat mir das Formular ausgefüllt.


Kawasaki. 30.9.07

Gestern habe ich mir gutes europäisches Essen gekauft. Oliven und Käsebrötchen, waren viel zu teuer, aber sehr deliziös. Ich hab auch mal in der Mensa Tofu gegessen, aber lasst besser die Finger davon, das ist nur zu alte Milch. Ich habe auch deutsche Lederschuhpflegelotion gefunden, mit deutscher Packungsbeilage. Als ich letztes Mal Wäsche gewachsen habe, hatte ich leider nur Weichspüler benutzt, wie ich heute weiß. Die Kleidung wirkte sauber, die Flecken waren noch da, Stichwort Misosuppe. Jetzt habe ich mir Ariel gekauft, das teuerste Waschmittel, das ich finden konnte.

Ja, das war es soweit, ich muss mal weiter lernen, bin ja nicht (mehr) nur zum Spaß hier. Bis nächsten Sonntag, liebe Kinder!

23.09.2007

Nomihôdai und Ageha

Shinjuku. 21.09.07

Es begann als Herrenrunde: Simon, Jan, Sven und der Elitestudent von Keiô. Bevor es ans Eingemachte ging, wollten Simon und ich noch kurz Grundlagen schaffen. Curry-Reis mit Misosuppe. Curry-Reis ist eben Reis mit einem Curry-Eintopf aus Rindfleisch und Gemüse. Misosuppe ist Suppe aus Sojabohnen, in der Algenblätter und Tofustücke schwimmen.

Ich denke, die meisten wissen, dass ich mich den japanischen Essen nicht so gut stehe. Dass dieses Verhältnis aber auch Gegenseitigkeit beruht, und das japanische Essen mich ebenso wenig abkam, zeigte sich an diesem Abend.

Ich aß nichtsahnend mein Misosüppchen und erzählte dabei Simon gerade von den entlaufenden Algen des Onigiris (vorheriger Post), als es passierte. Ich hätte damit rechnen sollen, die Algen waren nur ein Vorgeschmack (im wahrsten Sinne des Wortes) auf das, was die Misosuppe mit mir vorhatte. In einem Moment meiner Unachtsamkeit nutzte sie ihre Chance und griff an ... Frontalangriff auf T-Shirt, Hose und Rucksack …

Ich hasse es, dem Klischee des dummen Ausländers in Japan gerecht zu werden.

Ich versuchte die Nerven zu bewahren und krallte mir einen Haufen Servietten. Freundlicherweise war Simon so mit dem Essen beschäftigt, dass er keine dummen Sprüche ablassen konnte. Bis auf die wahre Bemerkung, dass Misosuppe, da sie gelblich ist und kleine Stückchen Bohnen enthält, haargenau wie Kotze – Pardon! – Erbrochenes aussieht.

Nachdem ich seelenruhig meinen Curry-Reis aufgegessen habe, gingen wir zum Bonquichote um die Ecke. Das ist ein Billigladen für alles Mögliche. Ich trug meinen Rucksack vor mir sehr, damit man nicht meine durchnässte Hose sehen konnte. Im Bonquichote kaufte ich mir das nächstbeste T-Shirt für etwa 12 €. Mein oliv-beiges Totenkopfshirt. Leider konnte ich es nicht vor dem Kaufen anprobieren, es war nämlich ein bisschen klein. (Zitat von Sven: „Schwuler als Jans pinkes Poloshirt“) Als Highlight hatte das Ding ein Pseudo-Piercing an der Brust, das ich leider erst beim Anziehen gesehen habe. Simon meinte, Japanerinnen würden den Geruch von Misosuppe anziehend finden. Ich persönlich habe mittlerweile Alpträumen von diesem Zeug, nach dem ich die ganze Nacht lang gerochen haben muss (trotz Deo ohne Ende).

Wir gingen schließlich zum eigentlichen ersten Ziel unser Nachttour: einer Kneipe im kitschigen Seefahrerstil. Da gab es nomihôdai, zu Deutsch: man bezahle etwa 15 € und kann zwei Stunden lang alles trinken, was man will, solange man nur ein Glas hat. Klingt gut, ist auch so! Meine persönliche Bilanz:

Kalua-Milch

Wisky on the rocks („Wisky auf Steinen“, wie Sven es nannte)

Erdbeer-Milch

Bananen-Milch

Melonen-Milch

Erdbeer-Milch

Wisky

Danach habe ich mich dann ganz leicht angetrunken gefühlt.

Haruka kam dazu und wir fuhren nach Shibuya, um den Shuttlebus zum Ageha zu suchen.


Ageha. 21.09.07

Ich, der große Entdeckungs- und Forschungsreisende des Fernen Osten, kann nun stolz behaupten, in der größten Diskothek Japans gewesen zu sein: dem Ageha, zu Deutsch „Schmetterling“. Das Ageha liegt am Arsch von Tôkyô, der kostenlose Shuttelbus brauchte eine halbe Stunde. Der Eintritt betrug 3500 Yen (etwa 22 Euro), nada inklusive.

Leider läuft freitags (die anderen wollten alle unbedingt Freitag gehen) nur Hiphop. Da ich ja voll-Gangsta-fett-krass aussah mit meinem hautengen Totenkopfshirt, meiner nach Misosuppe stinken Jeans, meinen Doc Martens und meinen Seitenscheitel, rauchte ich zur Beruhigung Mentholzigaretten.

Eigentlich sahen die Leute da genauso wie in einem deutschen Hiphopschuppen, nur eben ein bis zwei Köpfe kleiner und mit kleineren Augen. Aber sonst, alles genau wie in den deutschen Ghettos. Besonders gerne mag ich diese Asitoaster-Japanerinnen mit peroxydblonden Haaren, irgendwann muss ich mal welche von denen fotografieren.

In Ageha sollen 3000 Menschen passen. Es gibt einen Mainfloor, eine sehr große Chillout-Area und einen Openair-Bereich im Hawaii-Stil mit Pool, von wo aus man die nächtliche Skyline des Molochs Tôkyô bestaunen kann.

Zurück zu den interessanten Dingen: die Tanzstile meiner Mitstreiter. Sven beherrscht einen Achtziger-Jahre-Disco-Tanzstil, der bei Achtziger-Jahre-Liedern gut aussieht. Jan dreht gerne Pirouetten mit einem Hauch von Robo-Dance. Simon ist eher ein Grobmotoriker. Haruka schwingt von rechts nach links und wieder zurück, so wie viele deutsche Frauen. Ich habe versucht, aus dem EBM-Techhouse-Tanzstil rauszukommen oder ihn auf den lahmen Hiphop-Beat zu drosseln, ich denke mit mittelmäßigem Erfolg.

Okay, das wahre Highlight: mich hat, ohne dass ich danach gefragt habe, auf einmal eine Japanerin vulgär angetanzt. Das besagte Subjekt sah ein bisschen nach Schulmädchen ohne Uniform aus, also nicht zu alt, minimal pummelig für japanische Verhältnisse (normal für deutsche). Ich musste irgendwie sofort an die Geschichte mit Ronja denken. Kennt ihr die Geschichte mit Ronja. Also, ich war vor etwa anderthalb Jahren in Düren nächtlich unterwegs, als mich ein Mädchen angesprochen hat. Ronja war 14(!) Jahre alt und heulte rum, sie würde so gerne endlich ihr Erstes Mal erleben. Ich half ihr dabei aber nicht.

Jedenfalls bin ich seit dieser Geschichte gegenüber Frauen, die sich von selbst an mich ranmachen, sehr kritisch. Ich glaube, ich bin eher froh als traurig darüber, dass das seltsame Wesen nach gut einer Minute genauso schnell wieder verschwunden war, wie es gekommen war. Später sah ich es noch mal angefuckt in der Ecke sitzen und mit einem echten Gangster flirten. Das Beste an der Geschichte waren aber eigentlich die extremst erstaunten Blicke von Simon und Haruka.

Sonst passierte nichts wirklich Wichtiges mehr, nur dass wir nicht wussten, dass man für die Rückfahrt mit dem Shuttlebus Reservierungskarten brauchte. So mussten wir mit der Bahn fahren, das war zwar nicht wesentlich zeitaufwändiger, aber teurer.


Kawasaki. 22.09.07

Am folgenden Tag habe ich geschlafen, meinen Stundenplan erstellt, Miso-Kleidung gewaschen und war Einkaufen, hab ich mich auch ein bisschen verlaufen und mal andere Stadtbezirke von Kawasaki gesehen. Nichts Tolles passiert.

21.09.2007

Party, Party, Waschmaschine

Shibuya. 20.9.07

Ich habe tatsächlich mein neues Handy einigermaßen verstanden und es geschafft, Sven anzurufen. Sven hat mir dann die Nummer von Simon gegeben, und so war der Abend gerettet.

Jan, Kai, Matthias (Hickstein), Simon, Makino, Azusa und Sayaka (frühere Austauschstudentinnen), Haruka (Steves Ex) und meine Wenigkeit haben sich in Shibuya getroffen und die stylisten Locations ausgecheckt.

Angefangen hat es in einem Restaurant japanischer Art. Das soll heißen, es sah von Innen wie altes traditionelles Haus aus, allerdings gab es eine elektronische Bestellkarte. Man konnte sogar bei den Gerichten die Größe manuell verändern, z.B. die Anzahl der Pommes. Wir teilten uns schließlich Krabbenbrot (das wirklich nach Krabben geschmeckt hat), Reis mit seltsamen Gewürzen, koreanische Pizza (mit Fisch gefüllter Pfannekuchen), Salat, Zuckererbsen, Pommes, Pizza mit Kartoffelsalat als Belag … Es hat alles sehr gut geschmeckt. Am Ende wurde alles geteilt und jeder kam auf etwa 3000 Yen (19 Euro).

Die zwei großen Bierkruge haben mir nicht gut gekommen, aber wie wenig Japanerinnen vertragen ist echt erschreckend. Die können sehr lustig lallen.

Danach ging ich, im benebelten Zustand, Geld abheben von der Citibank. Da ich aus unerklärlichen Gründen immer noch kein Citibankkonto habe und mein Volksbankkonto bedienen musste, bin ich sehr froh nicht zu wissen, wie hoch die Gebühr gewesen ist.

Matthias führte uns dann in einen, ich will sagen, Gothic-ähnlichen Schuppen. Überall große Gargoyle-Statuen, Kirchenfensterbilder, Kerzen, rote Vorhänge, dagegen ist das Pulp sehr bescheiden. Allerdings lief dort seltsam heitere Musik. Da trank ich einen Gaba-Juice (Gaba = Guava). Leider war dieser Laden reichlich teuer und ich musste für das eine Getränk 900 Yen (5,50 €) zahlen.

Übrigens ist hier grade Final Fantasy Crisis Core raus. Überall, in den Zügen, im Fernsehen, auf den elektrischen Plakatwänden sieht man die Werbung. Matthias hat sich eine PSP inklusive FF Crisis Core für umgerechnet 160 € gekauft. Ich hätte auch gerne eine, aber ich bin ja leider nur zum Lernen.

Ich bin am Ende mit der allerallerletzten Bahn nach Hause gefahren. Danach kam nichts mehr, entsprechend war diese Bahn voller als die Bahnen tagsüber.


Kawasaki. 21.9.07

Heute Abend wollen wir (in etwa dieselbe Gruppe wie am Vortag) mal richtig den Elefanteneber rauslassen! Zuerst soll es all-you-can-saufen geben, danach die Nacht durchmachen in einer der größten Discos hier (in der nur leider Hiphop läuft). Die prognostizierten Kosten sollen bei mindestens 40 Euro für den gesamten Abend liegen, aber man muss das Leben auch mal genießen! Außerdem werde ich großzügig von diversen Institutionen finanziell gesponsert. Ich soll hier die japanische Kultur erforschen, und das mach ich ja schließlich auch!

Weitergehend habe ich mich heute mal getraut, die japanische Maschine von Mitsubishi auf meinem Zimmer zu benutzen. Anscheinend war auch das Zeug, dass ich für Waschmittel gehalten habe, wirklich Waschmittel. Die Wäsche scheint sauber und riecht gut, das wird wohl reichen. Weichspüler oder Antikaltzeug bracht man eh nicht. Jetzt trocknen die Sachen und ich bin sehr gespannt, ob die Kleider wirklich größer geworden ist, wie man es mir prophezeit hat.

Ach, noch ein wichtiger Hinweis für alle aus dem täglichen Leben: Achtet bei Lebensmitteln unbedingt auf das Haltbarkeitsdatum! Wenn man das nicht macht, dann das schlimm in die Hose gehen. Ich spreche gerade sowohl von Bananen und Brot als auch von Onigiri. Wenn man ein Gebilde aus Reis und Algen drei Tage zu lange im Kühlschrank liegen hat, entwickeln die Algen wieder Leben und laufen weg (im wahrsten Sinne des Wortes). Das ist dann eine riesige Schweinerei, erst recht, wenn man das erst in dem Moment merkt, wo man rein beisst.

20.09.2007

Shinjuku, Einstufungstest, Yokohama

Shinjuku. 17.9.07

Heute war ich mit Simon, Makino (Simons Freundin), Kai, Sven und Jan in Shinjuku, der angeblichen Yakuza- und Rotlichthochburg. Na ja, ganz so schlimm war es doch nicht. Mir sind wieder ein, zwei offensichtliche Yakuzas begegnet und ich habe japanische Bordelle gesehen (von außen). Sehen sehr lustig aus, rote Vorhänge am Eingang mit Bildern einer stoppenden Handfläche, auf der eine 18 gemalt ist. Ich konnte leider nicht so lange davorstehen bleiben, um die Kanji zu lesen.

Wir waren bei Mc Donald’s, eigentlich genauso wie in Deutschland, nur etwas billiger, wie ich umgerechnet habe. Aber Cheeseburger ist Cheeseburger, Pommes ist Pommes, überall.

Ich war zum ersten Mal bowlen. Bowling ist lustig, aber ich war sehr untalentiert und mit viel Abstand der Schlechteste.

Danach wollten Sven, Jan und ich noch zum Yoyogi-Park. Leider hatte der aber schon zu. Wir haben dann eine Stunde vorm Park behockt und Sachen ausm Getränkeautomat getrunken. Schließlich kam uns die Idee, nach Starbuck’s zu gehen. Mein zweites erstes Mal an diesem Tag. Leider war ich nicht so geistesgegenwärtig wie meine Mitstreiter, die bei etwa 25 Grad etwas Kaltes tranken, sondern holte mir einen glühendheißen Cappuccino. Ich habe mir die Zunge verbrannt, das tat weh.

Am späten Abend habe ich noch mit Thomas und Maksim über Skype telefoniert, es ging größtenteils um meine Ernährung hier, für die ich immer kritisiert werde.

Es war kein langweiliger Tag, aber leider ohne wirklich große Highlights.


Kawasaki. 18.9.07

Am Morgen gab es Gruppenwanderung der Austauschstudenten zum Bezirksverwaltung. Ich glaube, die Bezirksverwaltung mag ab jetzt keine Ausländer mehr. Ich habe mir den vorläufigen Ausländerausweis geholt und mich für die Nationale Krankenversicherung angemeldet. Ab jetzt kann ich krank werden. Mein persönliches Highlight war, dass der Beamte der Nationalen Krankenversicherung am Ende „Auf Wiidazehen“ gesagt hat.

Danach ging ich noch mit Jeong Lebensmittel einkaufen, das übliche Zeug, was an die westliche Küche erinnern soll. Jeong hat sich panierte Riesengarnellen gekauft, sie meinte, die seien lecker.

Eigentlich wollten wir noch nach einer Kamera und einen Bankkonto gucken, aber weil Jeong noch lernen wollte, gingen wir um vier etwa nach Hause. Dort habe ich dann erst mal geschlafen.

Leider habe ich an diesem Tag auch erfahren müssen, wie alt Jeong wirklich ist. Ich lag natürlich mal wieder mit meiner Vermutung total daneben. Die Gute ist schon 35, also mitten in den Wechseljahren. Wenn sie mit 12 schwanger geworden wäre, könnte ich ihr Sohn sein. Komische Sache.


Keiô. 19.9.07

Mein Acadamic Advisor-Interview. Es sollte mir einen Vorgeschmack auf den Studentenalltag geben, der nächste Woche beginnen wird. Zuerst bekam ich das Ergebnis meines Einstufungstest. Da ich ein ehrlicher Mensch bin, stehe ich hier öffentlich zu meinem Misserfolg. Ich bin im Kurs 2F, das heißt Mitte 2, das heißt ich bin ein erweiterter Anfänger, das heißt ich habe in Deutschland nur 3 Semester Sprachunterricht gehabt. Eigentlich waren es ja 4, aber da ich nur sehr knapp in 2F gekommen bin, also fast nur 2 Semester in Deutschland gehabt hätte, halte ich jetzt lieber die Klappe.

Na ja, ich habe niemals den Anspruch gehabt, gut in Japanisch zu sein. Dafür habe ich aber den Anspruch, noch Freizeit zu haben. Learning by doing, not pauking!

Mir wurde weitergehend 3mal gesagt, dass der Japanisch-Unterricht in Japan ganz anders wäre als der in Deutschland. Ich habe Angst. Ich habe mich auch noch nicht getraut, Fujita-sensei von meinem bescheidenen Ergebnis zu berichten.


Tamachi. 19.9.07

Ich habe ein Bankkonto eröffnet. Eigentlich total langweilig, nur leider war ich so doof, fast mein ganzes Geld auf das Konto einzuzahlen. Da ich erst Ende nächster Woche die Cashkarte und damit die Möglichkeit zur Auszahlung erhalte, muss ich jetzt dringend sparen. Das heißt der Fotoapparat muss leider auch noch warten.

Eine lustige Sache ist, dass ich mein Geburtsdatum immer in japanischer Form, das heißt nicht 1985, sondern Shôwa 60 angeben muss.

Jeong wollte mir mal japanisches Essen zeigen. Wir aßen Kyodon, so soll das Zeug laut Jeong geheißen haben. Es war eine Schale mit Reis, auf der ein Häufchen in Streifen geschnittenes Rindfleisch gelegen hat. Es hat ein bisschen an Dönerfleisch erinnert. Das Gericht war mittelmäßig lecker (passend zum Ergebnis meines Einstufungstests), selbst Jeong hat es nicht geschmeckt.


Yokohama. 19.9.07

Wir gingen in ein riesiges Elektrokaufhaus, vorrangig um uns Handys zu kaufen. Für diese Sache bin ich Jeong wohl zu ewigen Dank verpflichtet. Sie hat für mich alles geregelt und ich habe kein einziges Wort verstanden. Ich soll jetzt angeblich einen supergünstigen Tarif für Studenten haben.

Jeong ihrerseits konnte kein Handy kaufen, weil sie eine Forschungs- und keine Sprachstudenten ist und deshalb keinen Studentenausweis hat. Sie hat lange mit dem Verkäufer diskutiert und war am Ende sichtlich angepisst. Zur Beruhigung hat sich dann eine Kamera und einen Drucker gekauft.

Übrigens heißt sie ab jetzt nicht mehr Jeong, sondern Hae In, „Hen“ gesprochen. Sie dachte, es sei an der Zeit, dass ich sie mit ihren Vornamen ansprechen darf. Als dann herauskam, dass Timo gar nicht mein Nach-, sondern mein Vorname ist, war sie etwas überrascht.

Zuhause habe ich dann die englische Packungsbeilage für mein Handy gesucht, und bin auf eine einzige Seite gestoßen. Ich muss anmerken, dass ein japanisches Handy keinerlei Ähnlichkeit mit einem deutschen hat. Es gibt nur einen Klingelton, keine verschiedenen Hintergrundbilder, nicht mal Spiele, dafür aber 2 Arten SMS-ähnliche Gebilde zu verschicken. Alles sehr kompliziert, ich kapiere nahezu gar nichts.

Die nächsten Tage gibt es keine besonderen Programmpunkte mehr. Ich habe fast kein Geld, Hae In will sich mit ihren japanischen Freundinnen treffen, vielleicht lässt sich was mit Sven und Konsorten organisieren. Sonst könnte ich ja auch mal was Japanisch lernen, wie wär das?

16.09.2007

Shopping mit Jeong, Shibuya-Ausflug

Yagami. 15.9.07

Am Abend rief mich Jeong an, ob wir zusammen einkaufen gehen wollen. Wir gingen zusammen zu dem Supermarkt, der, wie ich mittlerweile weiß, „Inageya“ heißt. Ich bekam Anschiss von Jeong, dass ich ja nur Süßigkeiten und kein richtiges japanisches Essen kaufen würde. Tja, in der Tat habe ich gestern so tolle Dinge wie Windbeutel und mit Käse überbackenes Baguettebrot entdeckt (Brot zählt hier ja auch zu den Süßigkeiten). Ich habe mir auch diese Koala-Bären gekauft, ihr wisst schon, diese Mini-Kekse in Bärenform mit Schokofüllung. Die gibt es auch manchmal in Deutschland. Ich wollte aber mal was Neues testen und kaufte sie mir in Vanille. Zuhause musste ich dann feststellen, dass es nicht Vanille, sondern Käsekuchen war … nicht so lecker.

Jeong meinte noch zu mir, Tintentisch würde gut schmecken. Ich glaubte ihr das, wollte es aber nicht testen. (Frauen und Tintenfisch, das erinnert mich immer an dieses widerliche Bild von Hokusai „Der Traum der Fischerfrau“ …)

Was aber extremst geil schmeckt, ist Pflaumensaft. Ich glaube, so was gibt in normalen deutschen Läden leider nicht.


Shibuya. 16.9.07

Jeong entpuppt sich immer mehr als Geist, den ich rief und danach nicht mehr los wurde. Okay, wer im Steinhaus sitzt, soll nicht mit Glasscherben werfen. Hätte sie mich heute um 9 Uhr(!) nicht angerufen, ob ich mit nach Shibuya käme, hätte ich wohl den ganzen Tag geschlafen. So fuhren wir mal nach Shibuya.

Für die Nicht-Japan-Kundigen, Shibuya ist nur sekundär eine schlechte Karaoke-Sendung auf Viva, primär ist das eines der hippsten Shopping-Viertel hier. Und in der Tat, genauso so chaotisch, unübersichtlich, bunt und belebt habe ich es mir vorgestellt … (Ich bedauere es täglich, immer noch keinen Fotoapparat zu haben … nächste Woche wird einer gekauft!!!)

Wir waren zuerst in einem riesigen Karstadt-Verschnitt namens „Tokyo Hands“. Ich wollte Ribin-Sripa kaufen („Living Slippers“, Hausschuhe). Hier muss man ja tatsächlich andauernd die Schuhe ausziehen, wenn man sein Zimmer betritt oder die Lounge, das ist nervtötend. Natürlich gab es nicht meine Größe, dabei habe ich nur 42. Der Witz ist, dass es nur eine Einheitsgröße für Hausschuhe gibt.

Danach waren wir (leider) sehr lange in einem Frauenkleidungsgeschäft. Interessant ist: Es hängen jeweils von jedem Kleidungsstück drei Teile aus (weil es drei Größen gibt) zum Ansehen und Anprobieren. Wenn man es dann kaufen will, liegen darunter in einem Regal neue, noch verpackte Versionen von diesem Kleidungsstück. Ich finde das sehr praktisch.

Schließlich wurde es Zeit fürs Mittagessen. Sie wollte in so seltsamen Läden mit einheimischer Kost essen, ich bevorzuge ja die bewährte Nahrung aus der Heimat, aber wir fanden einen guten Kompromiss: Mos Burger’s. Das ist eine japanische Kette, wo es amerikanisches Essen gibt. Und ich muss zugeben, der Whopper ähnliche Burger, den ich gegessen habe, schmeckte ziemlich gut. Nur die Pommes waren dick und matschig. Ich habe ein bisschen den Mc Donald’s und Burger King bekannten Massenwaregeschmack vermisst. Ich war übrigens schockiert, dass Jeong die Crème de la Crème der westeuropäischen Küche verschmäht hat – Pommes. Leider essen die Japaner diese aber nie mit Ketchup oder einer anderen Soße.

Nach dem Essen waren wir noch im Disney Store, da gibt es zu allen Disney-Filmen alle möglichen Fanartikel. Ist aber eher was für kleine Mädchen, trotzdem sehr sehenswert, spiegelt japanische Kawaiiness („Süßheit“)-Klischees wieder. Jeong schlug mir vor, Winnie the Pooh-Hausschuhe zu kaufen, was ich aber nicht tat.

Natürlich begegnen mir auch täglich zahlreiche japanische Kuriositäten: Schuluniform-Schulmädchen, Hiphop-Pseudo-Gangster, alte Leute in Kimonos, Emos und Visus. Oft kommt es mir so vor, als gäbe es für jeden deutschen oder westlichen Menschen bzw. Stereotypen ein japanisches Pendant. Ich glaube heute sogar schon Yakuza gesehen zu haben, es waren zumindest Leute mit Bodysuit-Tätowierungen.

Ich will vielleicht noch kurz anmerken, dass die Gespräche mit Jeong oft sehr unterhaltsam sind. Sie fragte mich z.B. ob ich aus West- oder Ostdeutschland komme, welche Blutgruppe ich habe, ob ich in der Heimat jeden Abend viel Bier trinken würde, ob ich oft Würstchen essen würde, ob ich Chinesen mag.

Am Ende waren wir noch in einem Reclycling-Shop. Ihr denkt jetzt sicher, wie ich auch anfangs gedacht habe, dass das ein Laden sein muss, wo man seinen wiederverwertbaren Müll oder Sondermüll hinbringen kann, oder? Na ja, in Wahrheit heißen so diese bereits von mir beschriebenen Alles-Mögliche-Gebraucht-Waren-Läden. Diese Läden sind, denk ich, wirklich ganz praktisch und die Waren sind meistens echt noch im sehr guten Zustand. Jeong kaufte sich einen großen Ganzkörperspiegel, wieso auch immer.

Morgen ist hier Feiertag, wie ich heute zufällig erfahren habe, darum gehen wir erst Dienstag zur Bezirksverwaltung. Morgen treffe ich mich mit Sven (Eichelberg) und meinem besonderen Freund Kai in Shinjuku.

15.09.2007

Mein geiler Bezirk, die angeblich überfüllte Bahn und der Placement Test

Bezirksverwaltung von Saiwai. 13.9.07

Ich musste dorthin, um mich offiziell als Ausländer anzumelden (sonst würde ja nie jemanden merken, dass ich einer bin). Laut Marco Polo, dem Reiseführer, sollte man niemals mit einem japanischen Bus fahren, das sei viel zu kompliziert. Ums kurz zu machen, man steigt vorne ein, wirft beim Fahrer 200 Yen (1,20 €) in einen Automaten, soviel kostet jede Fahrt, man setzt sich hin. Okay, die einzigen Schwierigkeiten könnten sein, dass es keine genauen Fahrplänen mit den einzelnen Haltestellen gibt, sondern immer nur die wichtigsten Orte genannt werden, an denen der Bus vorbeifahrt, und die Tatsache, dass die Haltestellen im Bus nur als Kanji angezeigt werden.

Ich habe ja bereits einmal über die Englischkenntnisse der Japaner gesprochen, - natürlich konnte der Beamte am dem Schalter, der ausschließlich für die Ausländerregistrierung vorgesehen ist, kein Wort Englisch …

Ich bekam am Ende einen Haufen japanischer Infoheftchen, die sich größtenteils mit dem richtigen Verhalten bei Erdbeben beschäftigen. Das touristische Highlight meines Bezirks soll ein Zoo sein, für den überall Werbung gemacht wird. Auf den Bildern sieht er nicht viel anders und besser aus als ein deutscher Zoo. Ich spare mir jetzt mal ein Kommentar darüber, wie toll ein Bezirk sein muss, wenn das (einzige) touristische Highlight sein Zoo sein soll …

Auf dem Rückweg ist mir dann noch etwas passiert, das mir niemand glauben wird: Ich bin in eine Bank eingebrochen! Ja, das ist wirklich wahr! Ich wünschte, ich hätte einen Fotoapparat gehabt. Die Bank befand sich an einer Bushaltestelle, da saß zuerst eine Mutter mit Kindchen, als sie gingen, setzte ich mich dorthin – und Krack! – das billige Plastikteil ist tatsächlich übergebrochen. Es hat zum Glück keiner gesehen. Ich habe es gut wieder ineinander gesteckt bekommen, so dass man nichts sehen konnte. Ich fühle mich jetzt fett.

Noch kurz zum Kulinarischen, ich habe mir eine Packung Spagetti Napoli gekauft. Sie waren essbar, hatten aber kaum Ähnlichkeit mit den Spagetti Napoli hier. Die Nudeln waren sehr dick und weich, nicht aldente oder wie das heißt, und die Tomatensoße schmeckte wie verdünnte Sojasoße.


Keiô Uni. 14.9.07

Ich bin mit der berühmten Yamanote-Bahn gefahren, ihr wisst schon, das Ding, was immer im Fernsehen kommt, wo die Leute von dem Bahnpersonal reingequetscht werden müssen. Glaubt mir, das sind alles bezahlte Statisten! Obwohl ich bis jetzt viermal zur Rushhour damit gefahren bin, war das Ding bei weitem nicht so voll wie die 707 um kurz vor Neun. Aber ich muss sagen, dass die Prognose der Keiô, der Weg zur Uni betrage nur 50 Minuten, sehr optimistisch war. Ich brauche trotz schnellem Gang und (mittlerweile) Ortskenntnis mindestens 65 Minuten.

O-ri-en-te-shen Dee! (Orientierungstag in der Uni) Mein Gott, war das langweilig! Obwohl etwa ein Drittel der Anwesenden laut eigener Aussage (jeder musste sich kurz vorstellen, auch der Timo Teeren-san aus Dusseldorf, die kennen hier ja leider kein „Ü“) kein Wort Japanisch sprach, waren alle Infoveranstaltungen auf Japanisch mit englischen Untertiteln in Form von ausgeteilten Blättern. Wie gesagt, tot langweilig.

Hab ein paar andere Deutsche dort gesehen, aber irgendwie hatte ich keinen Bock, mit denen zu reden. Und es gab eine extremste Kuriosität: Sie kam aus Frankreich, trug ein schwarzes Rüschenkleid mit hohen Lackstiefel, hatte violette Haarsträhnen und zahlreiche Piercings nicht nur im Gesicht, im Mund und in den Ohren, sondern auch auf dem Rücken. Tja, die spinnen halt ein bisschen, die Franzosen (auch die anderen, die mir begegnet sind).

Aber das ist nicht die einzige seltsame Person, die mir an diesem Tag begegnet war. Als ich morgens zur Uni fahren wollte, sprach mich am Fahrkartenautomate jemand auf Japanisch an, ob ich auch Austauschstudent sei und ob ich wüsste, wie man eine Fahrkarte kauft. Diese Person hieß – phonetisch geschrieben – „John“, es handelt sich dabei aber nicht um einen Amerikaner oder Ähnliches, sondern um eine Koreanerin. Eigentlich schreibt man ihren Namen auch „Jeong“.

Da ich mir bereits vorstellen kann, welche Fragen euch nun unter den Nägeln brennen, nein, sie ist nicht zu hübsch und ich habe „keine Intentionen“ bei ihr. Sie ist, wie alle Frauen, mit denen ich mich gut verstehe, ein bisschen toshiyori, soll heißen so Mitte 20 bis Anfang 30. Wie alle Koreanerinnen, falls ihr schon mal welche gesehen habt, trägt sie viel zu viel und viel zu auffälliges Makeup (ich reiche, wenn es geht, mal ein Foto nach). Sie studiert „Rôoo“ (law). Okay, kommen wir mal zu ihren Vorteilen: Sie spricht fließend Japanisch und hat den JLPT Stufe 1 („Quasi-Muttersprachler), weitergehend kann sie kaum Englisch, deshalb müssen wir Japanisch miteinander reden. Das hört sich jetzt vielleicht für euch etwas komisch kann, immerhin bin ich ja in Japan und soll trotzdem keinen haben, mit dem ich Japanisch reden kann? Aber das ist richtig! Ich wohne in einem Studentenwohnheim, da sprechen alle mehr oder weniger glaubhaftes und nervtötendes Ämerikän-Inglish. Ich denke, dass es noch einige Wochen dauert (bis der tägliche Unterricht anfängt), bis ich dann zu „echten“ Japanern gute Kontakte knüpfen kann. Deshalb ist das mit Jeong eine gute Zwischenlosung. Sie für ihren Teil ist einsam, weil es hier keine anderen Koreanerinnen gibt. Sie hat mir auch erklärt, dass der „Korea-Boom“, der in den Kulturwissenschaftlichen Seminaren meiner Heimatuniversität oft erwähnt wird, mittlerweile wieder weitensgehend verschwunden sei und wieder mehr Konkurrenz zwischen den beiden Nationen herrscht. Im Alltag profitieren wir voneinander: sie kann mir alles Japanische, was ich nicht verstehe, erklären, und ich helfe ihr im Gegenzug bei ihrem nicht vorhandenen Orientierungssinn. Das mag chauvinistisch klingen, aber sie ist eine echte Ortslegasthenikerin. Wenn man ihr nicht sagt, wo der tadashii michi (richtige Weg) ist, verläuft man sich heillos. Und diejenigen, die Ahnung von Japan und Japanisch haben, bitte noch mal über die Pointe von eben lachen: JLPT 1 und schafft es nicht eine Fahrkarte zu kaufen!!!

Na ja, Montag gehen wir zusammen zur Bezirksverwaltung (ich habe leider vergessen mir einen vorläufigen Ausländerpass ausstellen zu lassen, den ich unbedingt brauche), danach Bankkonto eröffnen, Handy kaufen und Handy-Vertrag abschließen, eventuell noch Fotoapparat kaufen. Das wird anstrengend werden …


Keiô Uni. 15.9.07

PLACEMENT TEST!!! Jetzt wird sich zeigen, wie wenig Japanisch ich wirklich kann.

Ich habe letzte Nacht von 22 bis 23 Uhr gelernt und dann noch mal von 1.30 bis 3 Uhr. Das ist mittlerweile fast mein fester Schlafrhythmus, meistens schlafe ich von 22 bis 24 Uhr und dann noch mal von 3 Uhr bis 6 Uhr. Wie bereits gesagt, mit der Zeitumstellung komm ich irgendwie nicht so klar.

Der Test … im Nachhinein muss ich sagen, die Zeit, die ich dafür gelernt habe, hätte ich besser nutzen sollen. Es ist bewusst unmöglich, alles zu bei dem Test zu können, ich hoffe, dass es zumindest für die Hälfte gereicht hat. Den Stufe 3-Kurs, in den eigentlich wollte, habe ich bereits vergessen, es wird wohl der 2er, falls es der 1er wird, muss ich Selbstmord begehen, um meine Ehre wieder herzustellen. (Erklärung: 1 = keine Vorkenntnisse, 2 = 700 Kanji, 3 = 1300 Kanji, 4 = keine Ahnung, Gott oder so was. Es geht zwar eigentlich gar nicht um Kanji, aber die sind eben immer ein guter Richtwert für das Lernniveau.) Fujita-sensei hat mir bereits prophezeit, dass ich mit meinen 500 Kanji (ich dachte, es seien mehr) in den 2er kommen werde, obwohl leider fast alle bisherigen Austauschstudenten von meiner Uni in den 3er gekommen sind.

Sonst tote Hose heute, viel zu warm hier. Wie die in Okinawa das wohl aushalten?

Flug, Ankunft und lost baggage

„Konnichi wa!“ aus dem Land des Lächelns, des Sonnenaufgangs, der Play Station und der beheizten Klobrille!

Ich bin mittlerweile tatsächlich dort, obwohl ich es immer noch nicht ganz begreife und mich wie in einem komischen Traum fühle, wenn ich alleine durch die Straßen von Yagami, Saiwai-ku, Kawasaki (auf Deutsch einen Vorort von Kawasaki) lustwandle. Aber ich fange besser mal am Anfang an …


Düsseldorf, Flughafen. 10.9.07

Nach der Verabschiedung von JP, Kenta und Kan-san bin ich ins Flugzeug gestiegen. Das Schönste sind der Start und die Landung, weil man sich dabei wie in einer sanften Achterbahn fühlt, die aber eben genau die richtige, noch angenehme Intensität des Wackelns und der Erschütterung besitzt.


London, Heathrow. 10.9.07

Endlich bin auch mal in England gewesen. Von Terminal 1 zu Terminal 3, ein bisschen schnell, wenn es geht. Ich habe mich wirklich sehr beeilt, aber die Handgepäck-Kontrolle inklusive Schuh-Kontrolle hat lange gedauert. Dann war der Shuttlebus überfüllt … ich kam um ein paar Minuten zu spät. Die Mitarbeiter von der atlantischen Jungfrau (Virgin Atlantic) schickten mich zurück zu Terminal 1, ich solle mich bei den britischen Flugwegen melden (Britisch Airways). Also noch mal Handgepäck- und Schuh-Kontrolle, Shuttlebus … übrigens, Kan-san, falls du das liest, für deine Studie über Höflichkeit und so, die Engländer sind mindestens genauso unhöflich wie die Deutschen.

Natürlich habe ich den nächsten Flug der British Airways auch um ein paar Minuten verpasst, aber zum Glück fliegen die alle zwei Stunden. Ich befand mich also seit gut zwei Stunden im Heathrow Airport und hatte jetzt noch zwei weitere Stunden zum Duty Free-Shopping. Falls mal irgendwer eine Führung durch den Heathrow Airport wünscht, bitte an mich wenden. Ich kaufte mir Lippenbalsam, denselben wie ich in Deutschland habe, allerdings brennt die englische Variante ein bisschen, des Weiteren ein kleines Tütchen orientalische Chips, Augentropfen, Airwaves und eine Cherry-Diet-Coke für 1,39 Pfund. Als ich dann um Zeit totzuschlagen in den Laden nebenan ging, musste ich erkennen, dass dieselbe Cola dort nur -,99 Pfund kostet …


In luftigen Höhen. 10.9.07

Man merkte schnell, dass die British Airways-Maschine nach Japan flog. Es war eng, ich konnte die Beine nicht ausstrecken … aber es gab als Getränk Japanese Tea und als Lunch Chicken Teriyaki. Ich schaute mir „Fantatic Four and the Silver Surfer“ an, war aber reichlich enttäuscht davon. Am Morgen wählte ich English Breakfast, das ist ein Omelett mit Pilzen und Currywurst ohne Curry. Jetzt weiß ich, was Stephanie jeden Morgen essen muss.


Narita Airport. 11.9.07

Ja, man merkt schnell die klimatischen Unterschiede. Mittlerweile nenne ich es angenehm schwül, bei meiner Ankunft fand ich es aber noch erdrückend stickig.

Direkt als ich ankam, fand ich einen Zettel: „Mr. Thelen, bitte zum British Airways-Gepäckschalter, wir haben ein Problem …“ oder so was in der Art stand da. Passkontrolle, alles super, dann zum British Airways-Gepäckschalter. Eine halbe Stunde dort gewartet … sie seien very sorry, aber my bagagge didn’t arrive yet. Tja, das tat mir ebenfalls sehr Leid. Es würde morgen irgendwann kommen. Ich bekam als „Entschädigung“ eine Bankkarte mit 8,000 Yen, zirka 50 Euro.

Beim Zoll musst gab es einige Missverständnisse, weil ich mit meinem schlechten Englisch einem Japaner mit ebenfalls schlechtem Englisch vom Inhalt meines imaginären „lost baggage“ erzählen musste.

Am Bankautomaten hatte ich dann das Problem, dass dieser nur Japanisch oder Englisch verstand. Aber ich nutzte meine Vorteile als offensichtlicher Ausländer aus und bat zwei junge Damen um Hilfe. Die hatten zwar auch Anlaufschwierigkeiten, aber am Ende hatte ich das Geld. Ich fuhr dann mit dem Narita-Express zum Tôkyô-Bahnhof …


Narita-Express. 11.9.07

Die Fahrt mit dem Narita-Express war lustig. Ein Schaffner geht mit einem magischen Regenschirm am ganzen Zug vorbei und wie durch ein Wunder öffnen alle Türen, kurz nachdem er an ihnen vorbei gegangen ist. Ich will auch so einen magischen Regenschirm haben (Nathalie sicher auch).

Während der Fahrt sah ich viel japanische Natur, Reisfelder und so weiter …


Tôkyô-Bahnhof. 11.9.07

Okay, das Tôkyô einen großen Bahnhof hat, habe ich erwartet. Aber er war in Wirklichkeit riesigst riesig. Ich versuchte mich anfangs alleine zu Recht zu finden, natürlich mit ebenso riesigem Erfolg. Ich kaufte ihn einem Drug Store ein Deo, das nach Citrus riecht, aber nicht wie Putzmittel, sondern ein durchaus schönes Citrus.

Ich gab die alleinige Suche auf und sprach Japaner auf Englisch an. Nach dem dritten Versuch gab ich das auf. Das soll nicht heißen, dass Japaner kein Englisch können, nur kam es oftmals vor, dass sie verzweifelt nach englischen Vokabeln suchten, bis ich ihnen schließlich das entsprechende japanische Wort entgegen warf. Ich lernte schnell, dass man besten junge Japanerinnen anspricht. Diese sind am hilfsbereitesten. So kaufte irgendeine mit Uniform eine Fahrkarte für mich und zwei in Hiphop-Klamotten wiesen mich aufs richtige Gleis. Letztere beiden schrieen zuerst vor Entsetzen, als ich sie auf Japanisch ansprach.


Shinkawasaki. 11.9.07

Ich war endlich dort. Am Tôkyô-Bahnhof hatte es mich bereits unruhig gestimmt, dass viele den Namen Shinkawasaki (Neu-Kawasaki) noch nie gehört hatten. In der Tat war Shinkawasaki eine typische Vorstadt wie aus einem billigen japanischen Film. Alles sah irgendwie gleich aus, manchmal ein kleiner Schrein am Straßenrand, viele Mini-Geschäfte, in denen es alles Erdenkliche gab, und schließlich eine Menge Imbiss-Lädchen (Fotos reiche ich nach, wenn ich irgendwann eine Kamera habe). Ich ließ mich aber nicht davon aufhalten und ging zielsicher eine Viertelstunde lang (das ist tatsächlich der schnellste Weg, kein Bus oder so) zu meinem Wohnheim Plume IS.


Plume IS. 11.9.07

An der Rezeption saß Mrs. Hongo, eine typische Japanerin um die 50 oder 60 mit zu großer Brille. Da ich ihr das Nötigste auf Japanisch sagen konnte, wirkte sie sehr freundlich. Sie führte mich in die Lounge (einen heruntergekommener Gruppenraum) und stellte mich einem der drei Japaner vor, die alle 35(!) Ausländer in diesem Wohnheim betreuen sollten. Leider habe ich mir den Namen meines „Betreuers“ noch nicht merken können. Er sieht in etwa so wie Hiro-sensei aus, nur etwa fünf Jahre jünger. Er zeigte mir dann mein Zimmer und so, eigentlich vollkommen langweilig, das zu erzählen. Er sieht sehr nach 70er oder 80er Jahren aus, das Rohr am Klo tropft, wenn man abspült, der Duschvorhang hat etwas Schimmel. Aber die Klima-Anlage ist geil. Wenn ich zurück nach Deutschland komme, kaufe ich mir sofort so ein Ding.


Ein Supermarkt (dessen Namen ich mir noch nicht merken kann). 11.9.07

Es sieht alles genauso wie in den japanischen (koreanischen) Supermärkten in Düsseldorf, bzw. wie in der Bakery My Sweetheart aus. Ich kaufte mir nur vertraute Dinge: Grünen Tee in Flaschen, C.C. Lemon (Zitronenlimonade mit dem hundertfachen an Vitamin C oder so ähnlich), süße Brötchen, Mini-Crossaints, Bananen und irgendwas aus Reis, Algen und grünem Gemüse, das irgendwie nach Gemüsesuppe schmeckt.


Plume IS. 11.9.07

Ich brauchte über eine Stunde um die vier weißen Bezüge Matratze, Kissen, großer und kleiner Decke zuzuordnen. Der Knackpunkt ist, dass die Bezüge teilweise bewusst zu groß sind, einer ein riesiges Loch in der Mitte hat, ein anderer hat Schnüre am Rand … egal.

Ich konnte natürlich nicht schlafen … bis etwa drei Uhr nachts … dann schlief ich endlich ein bis um 14 Uhr am nächsten Tag.


Kawasaki. 12.9.07

Da ich den halben Tag verschlafen habe, blieb nicht mehr so viel Zeit. Natürlich war mein Koffer noch nicht angekommen. Ich begann, glaube ich, langsam zu stinken. Ich bin zum Supermarkt (demselben wie am Vortag) gegangen und kaufte ein Handtuch, Zahnbürste, Zahnpasta, Seife, Haargel … Zum Haargel will ich anmerken, dass es mit „very strong“ etikettiert ist, in Wahrheit aber praktisch nach Einschmieren in den Haaren vollkommen verschwunden und nutzlos ist. In einem reichlich seltsamen, aber für die Verhältnisse hier durchaus normalen Gebraucht-Alles-Waren-Laden kaufte ich einen Föhn.

Es war ein großartiges Gefühl, nach etwa zweieinnhalb Tagen endlich zu duschen …

Ich ging davon aus, dass mein Gepäck wohl noch etwas länger brauchen würde und ging mir schon mal in der Nähe die Kleidungsgeschäfte ansehen. Nebenbei wollte ich nach Hause telefonieren, so wie E.T. damals. Das hat zwar seine Zeit gedauert, wegen seltsamer notwendiger Vor-Vorwahlen, aber irgendwann schaffte ich es nach gut einer halben Stunde. Ich kann jetzt die japanische Variante für „Kein Anschluss unter dieser Nummer“ beinahe auswendig.

Als ich um 21.30 Uhr Ortszeit wieder am Wohnheim ankam, oh Wunder, mein Koffer war da! In Japan arbeiten (zum Glück) alle immer, die Supermärkte haben oft die ganze Nacht auf, und die Post kommt sogar mehrmals täglich.

Am Abend habe ich mir dann in der Lounge eine japanische Gameshow angesehen. Sie hieß „803“ (keine Ahnung warum) und es ging darum, dass drei Frauen um die 30 ein paar Fragen über das Leben der Jugendlichen beantworten mussten, zum Beispiel den Namen von gerade angesagten Bands, neuen Modetrends und Abkürzungen. Zwischendurch mussten die Kandidaten immer wieder beweisen, dass sie kawaii (süß) gucken können. Die Verliererin, diejenige, die die wenigsten Fragen richtig beantworten konnte, bekam eine Strafe, eine richtig schlimme … sie musste traditionelle japanische „Großmutterkleidung“ anziehen, also Kimono und so weiter … und das war ihr wirklich extrem peinlich. Okay, ich fände es auch peinlich, wenn ich eine Lederhose tragen müsste.

Um 23 Uhr wollte ich schlafen gehen, aber da ich mich noch nicht an die Zeitverschiebung gewöhnt habe, bin ich jetzt (4.30 Uhr) immer noch hellwach. Ich habe es geschafft Internet zu bekommen und quäle diejenigen, die sich (noch) meine Freunde aus der Heimat nennen, mit meinen Erlebnissen in dem Land, wo die Wasserhähne nur lauwarm (Beschriftung: kalt) und glühend heiß (Beschriftung: warm) kennen.

[Anmerkung: Ab morgen (14.9.) habe ich Unterricht, danach schreibe ich nicht mehr so viel.]